Eigenthumsfreiheilsklage wegen Lärms.
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klagten betriebenen Gastwirthschaft zu erleiden Pflegen soll, so bedeutend, daß es
ohne Weiteres als glaubhaft erscheint, daß jenes Grundstück um mehr als 1500 M.
■ entweichet sein würde, wenn es diese Belästigungen immer ertragen müßte (vergl.
als Analogie C.P.O. § 7). Daher war die Revision als statthaft anzuerkennen.
Was die Sache selbst betrifft, so hat das Berufungsgericht die erhobene
Eigenthumsfreiheitsklage deshalb abgewiesen, weil die Beklagte, auch wenn die
Klage objektiv begründet sein sollte, jedenfalls nicht der „Störer" sein würde, von
dem nach § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Kläger die Beseitigung der
Beeinträchtigung seines Eigenthumsrechtes verlangen könnte. Das Oberlandes-
gericht nimmt dabei an, daß die Beklagte, da sie ihr Grundstück zum Betriebe
einer Gastwirthschaft vermiethet habe, allerdings als Miturheberin des dort statt-
findenden gewöhnlichen Wirthshauslärmes zu gelten habe, daß es aber hierauf
nicht ankomme, da der Kläger diesen Lärm sich gefallen lassen müsse, und daß
der außergewöhnliche, übermäßige Lärm nicht auf die Beklagte als Urheberin
zurückzuführen sein würde, weil sie speziell hierzu das Grundstück nicht ver-
miethet habe, und weil sie andererseits dem Miether gegenüber doch kein Recht
habe, ihn an solcher Ausnutzung desselben zu hindern. Diese Begründung ist
rechtsirrig. Es kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, daß der Ber-
miether oder Verpächter nicht in der Lage sei, den Miether oder Pächter an einer
solchen Benutzung des Grundstückes zu hindern, in welcher ein Eingriff in das
Eigenthumsrecht am Nachbargrundstücke liegen würde. Wenn das der Fall wäre,
so würde übrigens in jeder Vermiethung oder Verpachtung eines Grundstückes,
bei der solche Eingriffe dem Miether oder Päcbter nicht speziell untersagt wären,
eine Ursache derjenigen Eingriffe zu erblicken sein, die letzterer etwa beginge. Aber
es ist eben nicht so, weder nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, noch nach dem
früheren gemeinen Rechte. Was zunächst das neue Recht anlangt, so bringt der
in § 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die Vertragsauslegung für maßgebend
erklärte Grundsatz von Treue und Glauben es mit sich, daß der Miethvertrag
im Zweifel dahin verstanden werde, daß der Miether solche Handlungen, welche
nach den allgemeinen Regeln des Nachbarrechtes dem Nachbar gegenüber als
rechtswidrig erscheinen, nicht solle vornehmen dürfen. Dann stellt sich aber die
trotzdem erfolgte Vornahme solcher Handlungen im Sinne des § 550 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs als ein vertragswidriger Gebrauch des Miethgegenstandes
dar, so daß der Vermiether nach vorgängiger vergeblicher Abmahnung gegen den
Miether auf Unterlassung klagen, unter Umständen auch nach § 553 daselbst das
Miethverhältniß ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen könnte. Inso-
fern er von diesen Rechten keinen Gebrauch macht, sondern die Verletzungen des
Nachbarrechtes unthätig duldet, macht er sich selbst für dieselben mitverantwortlich
und erscheint daher im Sinne des § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als
„Störer". Der Vermiether unterliegt also wegen wiederholter Eingriffe des
Miethers in das Eigenthumsrecht des Nachbars prima facie allemal neben dem