Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 11 (1901))

212 @8et, Tie Haftpflicht der Eisenbahn für Versäumung der Lieferfrist.
erweitert. Er beschränkt sich nicht auf den wirklichen Schaden, d. h. den ge-
meinen Handelswerth oder gemeinen Werth des Gutes, sondern umfaßt den
vollen Schaden, also auch den entgangenen Gewinn, das individuelle Interesse
(damnum emergens und lucrum cessans). Die Eisenbahn hat danach den
vollen Schaden zu ersetzen, welcher durch Versäumung der Lieferfrist entstandeir
ist, sofern sie nicht beweist, -daß die Verspätung von einem Ereignisse herrührt,
welches sie weder herbeigeführt hat, noch abzuwenden vermochte. Der Ersatz-
berechtigte hat seinerseits die Höhe des entstandenen Schadens nachzuweisen. Nach
diesem System ist also auch als Regel die Entschädigung nach dem vollen
Schaden angenommen, und ebenso sind Normalsätze in Gestalt von aliquoten
Theilen der Fracht eingeführt. Aber an die Stelle der besonderen Deklaration
des Interesses an der rechtzeitigen Lieferung ist die zugleich auch für Verlust und
Beschädigung geltende Angabe des Interesses an der Lieferung getreten,
welche nicht den Gesammtbctrag, sondern den Mehr-(Maximal-)Betrag bildet,
bis zu dessen Höhe jeder weitere, die normale Entschädigung übersteigende Schaden
beansprucht werden kann, derartig, daß die Maximal-(Normal-)Sätze 1. die
Maximalgrenze der zu gewährenden Entschädigung bilden sollen und 2. innerhalb
dieser Grenze der Ersatzberechtigte prinzipiell seinen Schaden unter Zugrundelegung
der Bestimmungen des Art. 39 nachzuweisen hat. Hiervon ist jedoch insofern ab-
gewichen, als in Betreff des Normalsatzes unter gewissen Voraussetzungen und bis
zu einer gewissen Höhe von dem Schadensnachweis Abstand genommen
und ohne diesen Nachweis schlechthin und unbedingt der eingeführte Normalsatz
als Schadensersatz gefordert werden darf. Dieser Abweichung von den Regeln
der Beweislast liegt die Erwägung zu Grunde, daß die Schwierigkeiten für den
Schadensnachweis bei Verspätung erheblich größer sind, als bei Verlust oder Be-
schädigung. Denn während im letzteren Falle im Wesentlichen nur objektive und
thatsächliche Verhältnisse (Zustand des Gutes, Höhe der Marktpreise rc.) in
Betracht kommen, handelt es sich bei ersterem meistentheils um die Feststellung
individueller Nachtheile und subjektiver Momente und Jntereffen (veränderte
Nachfrage, Verlust der Kundschaft, Unverwendbarkeit der verspätet angelangten
Waare rc.), deren Werth und Größe der Natur der Sache nach weit schwieriger
darzuthun ist. Aus diesen Gründen und weil ferner in jeder Verspätung doch
irgend ein, wenn auch noch so geringfügiger Nachtheil für den Interessenten zu
liegen Pflegt, ist von den allgemeinen Bcweisregeln über den Schadensnachweis
bei Verspätung insofern abgewichen, als für Schadensansprüche, welche gewisse im
Verhältniß zur Dauer der Fristüberschreitung bis zur Hälfte der Fracht und —
bei Angabe des Interesses — bis zur ganzen Fracht zunehmende Frachtantheile
nicht übersteigen, kein Schadensnachweis erfordert wird. Für alle weiter-
gehenden Schadensansprüche aber ist der gesetzlichen Beweisregel gemäß der
Schadensnachweis zu erbringen. Das neue Handelsgesetzbuch § 466 Abs. 2—4
hat bei Annahme des Systems des Internationalen UebereinkommenS diese ins

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