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Eger, Die Haftpflicht der Eisenbahn für Versäumung der Lieferfrist.
des Gutes stattfindet, kann nicht gebilligt werden. Dadurch wird auch die An-
nahme, der Ersatz könne unter Umständen höher sein für verspätete Ablieferung,
als für Nichtablieferung (Cosack S. 444; Staub § 430 Ziff. 1 b) hinfällig.
c) Es muß ferner durch die Versäumung der Lieferfrist dem Berechtigten
(Absender bezw. Empfänger) ein Schaden entstanden sein, dieser mit jener
in ursächlichem Zusammenhänge stehen. Mangels einer Einschränkung ist
unbegrenzt für jeden Schaden zu haften, welcher nachweislich eine Folge der
Versäumung ist. Die Haftpflicht erstreckt sich auf Schäden jeder Art, sowohl
unmittelbare, wie mittelbare, und in vollem Umfange, nicht nur auf den wirk-
lichen Schaden, sondern auch auf den entgangenen Gewinn, also z. B. auf den
Nachtheil, daß der Absender oder Empfänger verhindert war, den Erlös aus den
verspätet eingetroffenen Gütern inzwischen zu verwerthen, daß er Konventional-
strafen für die Verspätung seinerseits entrichten, daß er sich sein Bedürfniß bereits
anderweit zu theüreren Preisen decken mußte, daß er die ihm aufgetragenen Be-
stellungen nicht ausführen, der Nachfrage nicht genügen konnte, die Kundschaft
verloren hat, daß die Preise herabgegangen sind, die Mode gewechselt hat rc. (Entsch.
d. R.O.H.G. XVIII S. 237). Der Schaden kann aber auch in dem Verluste
oder der quantitativen bezw. qualitativen Verringerung (Beschädigung) des
Gutes bestehen. Die Maare kann infolge der Verspätung verderben, verfaulen,
vertrocknen rc. (Puchelt, Handelsgesetzbuch II S. 476). Es ist aber hierbei nach
Lage des konkreten Falls sorgfältig zu unterscheiden, ob der Verlust oder die
Beschädigung lediglich eine Folge des Transports oder der stattgehabten
Lieferfristversäumung ist (Endemann, Handelsrecht § 155 S. 727 Anm. 24).
Ist der Verlust rc. nicht durch die Lieferfristversäumung, sondern durch den Trans-
port überhaupt verursacht, d. h. wäre er auch ohne jede Verspätung durch die
Gefährlichkeiten desselben an sich (durch die Bewegung, Hitze, die Manipulationen
der Be- oder Entladung) eingetreten, so greifen die Bestimmungen der §§ 457 ff.
des neuen Handelsgesetzbuchs, §§ 80—85 der Verkehrsordnung, nicht die des
§ 466 des neuen Handelsgesetzbuchs, §§ 86, 87 der Verkehrsordnung Platz
(Thöl, Handelsrecht III S. 51; v. Hahn, Handelsgesetzbuch II S. 620;
Schott in Endemanns Handbuch des Handelsrechts III S. 322; Entsch. d.
R.O.H.G. II S. 355, XIII S. 393, XX S. 347).
Nur insofern erleidet die Regel, daß für die Verspätung voller Schadens-
ersatz zu leisten ist, eine Einschränkung, als § 466 Abs. 2, 3 des neuen Handels-
gesetzbuchs und in Ausführung desselben § 87 der Verkehrsordnung Normalsätze und
die Angabe des Interesses an der Lieferung vorsehen, welche die Maximalgrenzen
für den Umfang des Schadensersatzes bilden (S. 213 ff.). Nur in diesen Grenzen
kann der Ersatz des vollen Schadens beansprucht werden, außer wenn die Ver-
säumung der Lieferfrist durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Eisen-
bahn herbeigeführt ist (neues H.G.B. 8 466 Abs. 4, Verkehrsordnung § 88).
Sind die im Vorangehenden erörterten Voraussetzungen erwiesen, so
Archiv für Bürgerl. Recht u. Prozeß. XI. 14