Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 11 (1901))

208 Eger, Die Haftpflicht der Eisenbahn für Versäumung der Lieferfrist.
der von dem Internationalen Uebereinkommcn getroffenen Unterscheidung an-
geschlossen und auch mit geringen redaktionellen Abweichungen die Fassung des
Art. 39 des Internationalen Uebereinkommcns der Haftpflicht der Eisenbahn für
Verspätung zu Grunde gelegt, obwohl — wie die Denkschrift zum § 439 des
Entwurfes eines neuen Handelsgesetzbilchs zutreffend bemerkt —■ bisher keine
Nöthigung vorlag, den Eisenbahnen in der fraglichen Beziehung eine weitergehcnde
Verantwortlichkeit aufzuerlegen, als diejenige, welche sich aus der allgemeinen Be-
stimmung des bisherigen Art. 397 des alten Handelsgesetzbuchs ergab. Aber
nachdem bereits § 86 der älteren Verkehröordnung vom 15. November 1892 die be-
züglichen Bestimmungen des Internationalen Uebereinkommens angenommen harte,
empfahl es sich, dieselben zur Erhaltung der Uebereinstimmung des internationalen
und internen Eisenbahnsrachtrcchts auch in das neue Handelsgesetzbuch (§ 466)
und die Eisenbahnverkchrsordnung vom 26. Oktober 1899 (§ 86) aufzunehmen.
a) Haftpflichtig ist jede an dem betreffenden Transporte betheiligte Eisen-
bahn; sind es also mehrere mit durchgehendem Frachtbriefe, so haftet sowohl die
Annahme-(Versandt-)Bahn, wie die Ablieferungs-(Bestimmungs- oder Empfangs-)
Bahn, wie auch jede dazwischen liegende Bahn. Alle diese Bahnen haften nach
8 74 solidarisch für die auf der ganzen Beförderungsstrecke eingetretene Ver-
säumung der Lieferfrist (§ 63), jedoch mit der im § 74 Abs. 3 normirten Ein-
schränkung der Passivlegitimation.
b) Es muß eine Versäumung der Lieferfrist stattgefunden haben. Die
Haftpflicht für den Schaden aus Verlust, Minderung oder Beschädigung des
Gutes ist in den §§ 75—78 normirt. Eine „Versäumung der Lieferfrist" liegt
vor, wenn — wie der Hinweis auf Z 63 andeutet — die tarifarische Lieferfrist
abgelaufen ist, ohne daß die Ablieferung des Gutes erfolgt ist, gleichviel ob und
wann später abgeliefert worden ist. Auch wenn das Gut in Verlust gerathen
oder aus anderen Gründen nicht sristzeitig oder überhaupt nicht angelangt ist,
findet Versäumung der Lieferfrist statt. Denn daß die Lieferfrist nicht innc-
gehalten, d. i. versäumt ist, wenn das Gut überhaupt nicht am Bestimmungs-
ort eintrifft bezw. dort nicht zur Ablieferung gelangt, kann keinem Zweifel unter-
liegen (s. arx. ß 91 Abs. 2). Daher begründet auch der Verlust des Gutes
unterwegs eine Versäumung der Lieferfrist, und es kann die Eisenbahn in diesem
Falle kumulativ für Verlust und für Versäumung der Lieferfrist haftpflichtig
werden, vorausgesetzt, daß sich thalsächlich neben dem Schaden aus dem Verlust
des Gutes noch ein besonderer Schaden aus der Versäumung der Lieferfrist
erweisen läßt (s. § 80), wie auch die Deklaration des Interesses an der
Lieferung Schäden aus Verlust und Beschädigung wie aus Versäumung der
Lieferfrist zusammen begreift. Die gegentheilige Annahme (s. Schwab, Inter-
nationales Uebereinkommcn S. 290; Reindl, Zeitung des Vereins Deutscher
Eisenbahn-Verwaltungen 1896 Nr. 27), welche in der Versäumung der Lieferfrist
nur die Ueberschreitung derselben sehen will, derartig, daß sie.nur bei Ablieferung

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer