Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 17 (1857))

400 Die neuesten Vereinbarungen mit Rom.
stellung der alten „Befugnisse und Vorrechte" der katholischen Kirche
(österreichisches Konkordat Art. I) gegen die bestehende Gesetzge-
bung und Staatsgewohnheit auf die unveränderliche Lehre der Kirche
und die daraus abgeleitete Disciplin — in der Auffassung und
Ueberlieferung des päpstlichen Stuhles. Damit war aber der Streit
auf einen ganz andern Boden geführt, den unmöglich der Staat
als den seinigen anerkennen konnte, zumal die Kurie in den früheren
Verhandlungen, welche der Bildung der oberrheinischen Kirchen-
provinz vorangegangen waren, den betheiligten Regierungen deutlich
zu erkennen gegeben hatte, daß ihnen ein Urtheil darüber, was
die kirchliche Disciplin mit sich bringe, gar nicht zukomme. Vom
rechtlichen Standpunkt war jener Berufung auf die vigens Eccle-
siae disciplina damit einfach zu begegnen, daß nicht alle römischen
Satzungen in Deutschland rezipirt worden, daß die Disciplin der
Kirche nicht immer dieselbe gewesen sei und der römische Hof nicht
blos sich selbst, sondern auch den Bischöfen erlaubt habe, Aende-
rungen je nach zeitlichen und örtlichen Verhältnissen vorzunehmen,
daß endlich die kirchliche Lehre in dem obschwebenden Streite keine
Lösung gebe, indem sonst angenommen werden müßte, daß die.
römisch-katholische Kirche in denjenigen Staaten, wo die gleiche
Auffassung wie die der heutigen Ultramontanen noch nicht zur
Herrschaft gelangt ist, gar nicht bestehe, oder überhaupt vor
dieser Zeit niemals bestanden habe.
Wir verkennen nicht: es gibt einen Standpunkt, auf welchem
die Unabhängigkeit der Kirche vom Staate gerechtfertigt erscheint;
es ist dieß der Standpunkt der Gesetzgebung in der nordamerikani-
schen Union, zum Theil auch der der belgischen Verfassung (Art.
14—17), woraus die leitenden Grundsätze in die „Grundrechte
des deutschen Volks" (Art. V) übergegangen sind, aus welchen
wieder die preußische Verfassung v. 1850 (Art. 12—26) geschöpft
hat. Hand in Hand mit der Trennung von Kirche und Staat sollte
aber nach diesen Grundrechten die Unabhängigkeit der Schule von
der Kirche (mit Ausnahme des Religionsunterrichts) in's Werk
gesetzt werden. Auch ist das Aufsichtsrecht des Staats über die
Kirche und Schule besonders hervorgehoben. Von demselben Stand-
punkte aus waren die §§. 2 und 4 des kaiserlichen Patents vom
4. März 1849 ausgegangen, wodurch jeder gesetzlich anerkannten
Kirche und jeder Religionsgesellfchaft das Recht der selbständigen

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