Vertrag, Kündigung.
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solle, den Vertrag einseitig zu lösen, dergestalt, daß ihm die Wahl zustand, ob er
von diesem Rechte Gebrauch machen oder unter Verzicht auf dasselbe den Vertrag
fortsetzen wolle.
Unstreitig hat der Kläger zum letzten Male im August 1888 weniger als
das festgesetzte Minimalquantum bezogen. Es stand also dem Beklagten das vor-
gedachte Wahlrecht nach Ablauf des August 1888 zu. Wenn nun aber derselbe
wie im Einverständnisse der Parteien beruht, bis in den Februar 1889 hinein
dem Kläger weiterhin Bier in monatlichen das Quantum von fünf Hektolitern
übersteigenden Mengen lieferte, ohne sich alsbald nach Ablauf des Augusts über
sein Wahlrecht zu äußern, so kann und konnte insbesondere vom Kläger diese
Handlungsweise nur als eine stillschweigende Willenserklärung dahin aufgefaßt
werden, daß er auf das Recht zur Ausführung des Vertrags verzichten und den
Vertrag mit dem Kläger, welcher seinerseits durch Fortbezug des Bieres sich hier-
mit einverstanden bezeigte, fortsetzen wolle.
Es stand demgemäß dem Beklagten am 19. Februar 1889 nicht mehr zu,
aus das durch seinen Verzicht erloschene Recht zur Lösung des Vertrags zurück-
zukommen.
Eine andere Frage dagegen ist die, ob der Beklagte nicht an sich nach dem
Vertrage die Füglichkeit hatte, durch einseitige Aufkündigung den Vertrag zum Er-
löschen zu bringen. Diese Frage war zu bejahen. Es folgt dies, wie schon in
der von dem Beklagten für sich angezogenen Entscheidung des 3. Civilsenats des
Oberlaudesgerichts*) hervorgehoben worden ist, aus der durch den Wechsel des
wirthschaftlichen Bedürfnisses und die Zweiseitigkeit des Vertragsverhältnisses be-
gründeten Annahme, daß nach der Absicht der Kontrahenten jedem Theil das Recht
habe eingeräumt werden sollen, den Vertrag durch einseitige Willenserklärung nach
Ablauf einer angemessenen Kündigungsfrist zur Endigung zu bringen und der dem
Beklagten unter der obengedachten Voraussetzung berechtigungsweise zugestandene
Vorbehalt zur sofortigen Lösung des Vertrags kann nicht zu Gunsten des Klägers
in der Weise gedeutet werden, daß sich Beklagter hierdurch seines Rechts, den
Vertrag ans anderen Gründen aufzulösen, habe begeben wollen.
Im vorliegenden Falle erscheint es um so unbedenklicher, dem Beklagten
das Recht zur Kündigung des Vertrags zuzusprechen, als der Vertrag nach
dem Einverständnisse der Parteien bereits eine längere Reihe von Jahren ange-
dauert hat.**)
Hiernach kann es sich' nur noch um die Frage handeln, welche Kündigungs-
frist im vorliegenden Falle Seiten des Beklagten einzuhalten gewesen sei. Wenn
man dieselbe auf 6 Monate bemessen hat, so beruht dies eineStheils daraus, daß
*) Anm. diese Entsch. (EH. C. 24/89) betraf den Antrag des Klägers auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung gegen den Beklagten.
**) ÄN M. des Eins.: vergl. auchWengler's Archiv, 1890, S. 691 flg.j