Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 7 (1897))

64 Kauf, Vereinbarung „auf successive Abforderung zu liefern".
auf die ausdrücklich nach dieser Richtung erfolgte Anfrage zur gutachtlichen Aeußerung
bereit erklärt und hierdurch sowie durch die thatsächliche Abgabe des Gutachtens
zur Genüge kundgegeben hat, daß von ihm nach der Art seiner Verfassung und
seiner Zusammensetzung ein fachmännisch zuverlässiges Urtheil ausgesprochen werden
könne.
Hiernach liegen drei Gutachten über die nämliche Frage vor, von denen
sich zwei zu Ungunsten, eines zu Gunsten der vom Beklagten vertretenen Auffassung
aussprechen. Es fehlt an jedem Anhalte dafür, dem Urheber des letzteren Gut-
achtens eine erhöhte Sachkunde und Unbefangenheit des Uriheils zuzuschreiben, als
den beiden anderen Sachverständigen, während man andererseits dahin gestellt
lassen kann, ob man die Beweiskraft des vom Aeltesten-Kollegiums erstatteten
Gutachtens so hoch veranschlagen dürfe, um zu der positiven Feststellung zu ge-
langen, daß nach dem aus den Umständen erhellenden Vertragswillen der Parteien
erst der jedesmalige Abruf des Beklagten für die Verpflichtung der Klägerin zur
Anfertigung der Waare entscheiden sollte. Denn jedenfalls wird das Bestehen
einer allgemeinen Verkehrsübung, nach welcher der Ausdruck „zur successiven
Abforderung" in dem vom Beklagten gewünschten Sinne verstanden werden müßte,
schon durch die Thatsache wiederlegt, daß von drei, wie anzunehmen ist, gleich fach-
kundigen Personen zwei dieser Auffassung entgegentreten. Es verbleibt daher zuin
Mindesten eine Ungewißheit in dem Sinne der Vereinbarung. Der Beklagte aber
ist eö, der aus dem Vertrage ein Recht auf eine ihm vortheilhaftere Leistung her-
leitet und gegen den daher in diesem Falle die Auslegungsregel in 8 813 des B.G.B.
wirksam wird, nachdem die Anwendung der in Art. 278 ff. H.G.B. geordneten
Grundsätze zu einer ausreichenden Klarstellung des Vertragswillens — und das
ist im Hinblick auf den Anspruch des Aeltesten-Kollegiums die dem Beklagten
günstigste Annahme — nicht geführt hat. Die Rechtsregel: „quod sine die
debetur, statim debetur“ (zu vergl. § 711 B.G.B.), auf welche sich Beklagter
beruft, schlägt nicht ein; denn die sofortige Lieferung war eben nicht in Aussicht
genommen, sondern Lieferung in Theilabschnitten, für die, soweit es sich nicht um
die erste Rate handelte, eine Frist überhaupt nicht bestimmt, deren Fälligwerden
vielmehr noch durch eine Erklärung des Beklagten bedingt war. Ebensowenig ist,
wie der Beklagte will, der Wortsinn für dessen Auslegung zu verwerthen; das Wort
„Abforderung" ist hier mit den: sonst vielfach unter gleichen Verhältnissen ge-
brauchten Ausdrucke „Abruf" identisch und giebt ebensowenig, wie das letztere,
einen unmittelbar im Wortsinne begründeten Aufschluß darüber, ob dem Lieferungs-
verlangen sofort zu entsprechen sei oder nach ihm noch eine Frist vergehen dürfe.

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