Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 7 (1897))

(52 Kauf, Prersvereinbarung.
darauf gelegt hat, den sie ihnen jetzt beigemessen haben will. Denn andernfalls
würde es ihr ausgefallen sein, daß ihr keine Preisverzeichnisse der Klägerin zu-
gingen, sie würde deshalb nachgeforscht, sich solche zu verschaffen gesucht und von
deren Inhalt Kenntniß genommen haben. Den Nachtheil, welcher ihr durch eine
derartige sorglose Geschästsgebahrung etwa entstanden sein sollte, würde die Be-
klagte sich selbst zuzuschreiben haben und nicht auf die Klägerin überwälzen können,
da sie nach dem oben Ausgeführten weder ein Recht auf Zusendung der Preisver-
zeichnisse, noch darauf hatte, daß die Klägerin sich bei den Vertragsverhand-
lungen mit ihr an diese Preisverzeichnisse band.
Wenn die Klägerin ihre Preisverzeichnisse der Beklagten absichtlich verheimlicht
hätte, so würde sie dadurch die Beklagte nicht in einen Jrrthum haben versetzen
können, sondern ihr Zweck könnte nur darin bestanden haben, der Beklagten den
Inhalt ihrer Preisverzeichnisse nicht wissen zu lassen, damit diese nicht daraus
Veranlassung nehme, die Bewilligung höherer Preise als der in den Preislisten
verzeichneten abzulehnen. / Hierin kann aber nach dem oben dargelcgten die Unter-
drückung einer Thatsache, worüber die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu
und Glauben Aufklärung erwarten dürfte, nicht erblickt werden.
4.
Die Beklagte hat ferner geltend gemacht, die Klägerin habe sich ihren, der
Beklagten, Magazinverwalter H. durch Geschenke derart dienstbar gemacht, daß er
die Einkäufe für ihr Geschäft nur bei der Klägerin bewirkt, ohne sich um deren
Preisverzeichniß zu bekümmern und deren Preisforderungen danach zu kontroliren.
Die Klägerin nimmt darauf Bezug, daß die Gewährung derartiger Trink-
gelder eine im Geschäftsleben allgemein verbreitete Praxis sei.
Die, wie die Erfahrung des täglichen Lebens lehrt, auch sonst bei Handels-
und Gewerbtreibenden vielfach herrschende Unsitte, den Angestellten und Dienst-
leuten ihrer Kunden Geschenke als sogenannte Trinkgelder zu gewähren, verfolgt
im Allgemeinen den Zweck,' die Beschenkten dadurch zu veranlassen, den Bedarf
ihrer Arbeitgeber und Dienstherrschaften auch in Zukunft von ihnen zu beziehen
und nicht ihren Konkurrenten deren Kundschaft zuzuwenden. Daß hierdurch die
Kunden benachtheiligt werden können, insofern die betreffenden Maaren von einem
andern Lieferanten vielleicht besser oder billiger zu beziehen sein würden, ist zuzu-
geben und deshalb ist die betreffende Geschäftssitte allerdings nicht einwandfrei,
sondern moralisch bedenklich. Daß aber in jedem Falle eine solche Schädigung der
Kunden beabsichtigt sein und eintreten müsse und daß daher das Trinkgeldgeben
in jedem Falle eine Verleitung des Trinkgeldempfängers zur Untreue enthalte,
läßt sich nicht behaupten.
Die Einwendung wurde indessen nicht beachtet, weil der Nachweis nicht
erbracht war, daß durch die Trinkgelder die Preisfestsetzung zuungunsten der Be-
klagten beeinflußt sei.

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