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was zur Durchführung eines Anspruchs vom Kläger zu behaupten und zu beweisen sei. Das
wird von Betzing er an andrer Stelle gelegentlich selbst anerkannt (S. 296). /Aus
dem Gesetz allein kann niemals ein Anspruch abgeleitet werden. Wer einen An-
spruch im Prozeßwege geltend macht, muß, wenn er sich auf den Abschluß eines Rechts-
geschäfts stützt, den rechtsgeschäftlichen Thatbestand darlegen, der seiner Klage zu
Grunde liegt. Nicht auf das Rechtsgeschäft im Allgemeinen kommt es an, son-
dern immer nur auf das, was nach der Angabe des Klägers im konkreten Halle
zwischen ihm und dem Beklagten verabredet morden sein soll. Entsteht über den In-
halt dieser Verabredung Streit zwischen den Parteien, giebt der Beklagte im Gegensatz
zur Klagdarstellung einen Sachhergang an, bei dem der vom Kläger gezogene Schluß auf
den Klagantrag nicht mehr gerechtfertigt sein würde, so hat der Kläger zu beweisen, daß sich
der Vertragsabschluß so zugetragen habe, wie er ihn behauptet. Er beweist nicht eigentlich
die Negative dessen, was der Beklagte vorgebracht hat, sondern nur die Richtigkeit
seiner eignen Sachdarstellung, soweit sie von derjenigen des Gegners abweicht,
soweit er sie aber aufrecht erhalten muß , um darnach den Klaganspruch als entstanden er-
scheinen zu lassen.
Es ist nicht richtig, daß der Beklagte, der sich, aus die Beifügung einer Suspensiv-
bedingung beruft, damit den Vertragsabschluß im Allgemeinen zugesteht.. Ein im All-
gemeinen zugestandener Vertrag ist kein prozessual faßbarer Begriff. Man kann nicht zu-
gestehen, einen Kauf abgeschlossen zu haben, vorbehältlich der Frage : welches der Gegenstand
des Kaufs, welches der Kaufpreis und welches die sonstigen Kaufsbedingungen gewesen
seien. Mit demselben Rechte würde man sagen können, der Vertragsabschluß werde, zuge-
standen, wenn der auf Rückzahlung eines Darlehns von 100 JC belangte Beklagte erwidert:
er habe die 100 JC zwar empfangen, jedoch nicht als Darlehn , sondern als Geschenk. In
der Geltendmachung einer noch nicht eingetretenen Suspensivbedingung. liegt vielmehr die
Verneinung, daß der dem Klaganspruche zu Grunde liegende, vom Kläger als unbedingtes
Rechtsgeschäft vorgetragene Kauf zu Stande gekommen sei. Denn der bedingte Vertrag ist
ein anderes Geschäft als der unbedingte Wer nur unter einer Suspensivbedingung gekauft
haben will, hat eben, solange die Bedingung schwebt, noch nicht festgekauft. Es ist schlechter-
dings unzulässig, diesen rechtsgeschäftlichen Thatbestand, wie Betzinger will, zu zerreißen
und die einheitliche Willenserklärung des Käufers: ich kaufe, wenn ich die Fabrik zu D. .zu-
geschlagen erhalte, — die, anders ausgedrückt, doch nur besagt: ich will nicht kaufen, es
wäre denn, daß ich die Fabrik u. s. w. — in zwei Theile zu zerspalten: in ein Zugeständmß,
gekauft zu haben, und in eine selbständige Einrede.
Zudem ist es doch überaus bedenklich, wenn Betzinger dem Anspruch erhebenden
Kläger gestatten will, sich auf das mit dem Beklagten abgeschlossene Rechtsgeschäft nur in-
soweit zu berufen, als es ihm vortheilhaft dünkt. Tritt , der Kläger mit der Behauptung, vor
den Richter, er habe mit dem Beklagten einen Vertrag geschlossen, aus dem dieser gegen-
wärtig zu leisten habe, während das Geschäft in Wirklichkeit bedingtoder befristet ge-
schlossen war, so sagt er einfach die Unwahrheit. Hiergegen hat neuerdings mit Recht schon
Stölzel geeifert (Schulung f. d. civil. Praxis, S. 132, 155): „Wenn das statthaft wäre,
und wenn durch eine solche Manipulation der Beklagte sich genöthigt sähe, dem Kläger den
Eid. über die Unbedingtheit, des Geschäfts anzuvertrauen, dann wäre unsere Jurisprudenz
wenig werth. Das hieße, der Lüge Thür und Thor öffnen, es hieße, einen Kläger, der
wahrheitswidrig aus einem Geschäfte als aus einem unbedingten klagt, damit prämiiren, daß
man ihn zum Eide über seine Lüge zuließe".
Wir können nach alledem den Versuch Betzinger's, im Kampfe gegen die unsere
Rechtsprechung zur Zeit beherrschende Leugnungstheorie der Einredetheorie zum Siege zu
verhelfen, nicht für gelungen halten. Das Wiederaustauchen der letzteren läßt es fast be-
dauerlich erscheinen, daß die die Beweislast regelnden §§ 193—198 des I. Entwurfs des