Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 11 (1847))

Ueber Gewissensfreiheit. 209
§. 12.
Eine jede Religionsübung, welche die Grenzen der HauS-
andacht überschreitet, fordert oder setzt gewissermaßen voraus
eine äußere, den Rcligionsgrundsätzcn selbst angemessene gesell-
schaftliche Verbindung und Verfassung der durch den gleichen Glau-
ben Verbundenen. Im westphälischen Frieden wird die Berechti-
gung zu einer solchen Gesellschaftsverfassung, zur Errichtung der
erforderlichen Anstalten, — wie es denn auch bei den altern Ca-
Nvnisten der Fall ist, — zu den annexis exercitii religionis (pri-
vati vel publici) gerechnet *9). So wie der Gottesdienst in man-
nigfacher Weise beschränkt war, und man ihn, wie bemerkt, wo der-
selbe dem Entscheidungsjahre gemäß gestattet werden mußte, auf
die möglichst engen Grenzen zurückbrachte, so war es auch in Be-
ziehung auf die s. g. Annera der Fall 10°). Heutigen Tages hat
sich nun die Auffassung dieser Verhältnisse geändert. Man stellt
das kirchliche oder Religionsgesellschaftsrecht voran, nach Maßgabe
dessen sich dann die Art der Religionsübung, die nun gleichsam ein
Anner von diesem geworden ist, bestimmt. Früher unterschied man
ferner verbotene, geduldete und eigentlich recipirte Bekenntnisse; jetzt
wird in der Regel nur von öffentlich aufgenommenen und nur geneh-
migten Religionsgesellschaften, welche letztere auch wohl gedul-
dete genannt werden, gesprochen. — In einem jeden Territorium
war in Folge der Reformation eines der im Reiche recipirten Be-
kenntnisse die eigentliche Landesreligion, zu welcher der Landesherr
und die Mehrzahl der Unterthanen, denn sonst hätte es solche Herr-
schaft nicht erlangen können, auch wohl die letzteren allein sich be-
kannten 10‘), weil es ihnen als das allein wahre und daher zulässige
erschien,02). Daneben bestand dann wohl noch ein anderes, ent«

99) Inst. Pac. Osnab. V §. 311 — retineant id (exercitium rel. publ.
v. priv.) una com annexis. Cujusmodi annexa habentur institutio
consistoriorum, ministeriorum tam scholasticorum quam eccle-
siasticorum, jus patronatus, aliaque similia jura.
100) S. Moser, Landeshoheit in geistl. Sachen S. 330. Derselbe
über öffentlichen, Privat- und Hansgottesdienst S. 23.
101) Diesen Fall hat schon der 7. Art. des Inst. Pac. Osn. vor
Augen.
102) Daher die Aengstlichkeit, mit der man darauf hielt, daß der
„Hof-Gottesdienst eines Landesherr», der einer andern Religion
Zeitschr. f. deutsches Recht n. Bd. H. 14

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