Ueber Gewissensfreiheit. $05
Vertrags-, als ein rein civilrechtliches Verhältniß betrachtet werden
möchte, und daß die Einsegnung bei Schließung der Ehen, —welche
bekanntlich im Mittelalter weder rechtlich nothwendig, noch so, all-
gemein üblich war, wie sie es nach der Reformatio» geworden
— außer Gebrauch kommen möchte; aber deßhalb braucht, ja soll '
die Trauung, als ein rein kirchlicher Act, kein staatliches Zwangs-
institut sein, unv es sind Vorschriften und Anordnungen, welche dieß
indirect bewirken, um so mehr zu vermeiden, als dadurch gerade
Verationen und Bedrückungen Andersgläubiger hervorgerufen wer-
den. Man sollte ferner doch erwägen: ob durch die katholische
Erklärung vor Pfarrer und Zeugen die Ehe die religiöse Weihe
empfange, um derentwillen man die Trauung im protestantischen
Sinn als rechtlich-nothwendige Eingehungsform der Ehe beibehalten
will? Es ist diese Erklärung im Grunde nichts anders, als eine
kirchlich-polizeiliche Form, welche das Tridentinum eingeführt hat,
um den Mißständen des »consensus facit nuptias« zu entgehen
Aber auch die protestantische Trauung sinkt zu einem Polizeiinstilut
herab, wenn sie nur der bürgerlichen Bedeutung und Folgen wegen
gesucht wird, nicht aber auch um eines religiösen Bedürfnisses willen,
und aus einem tief begründeten Bewußtsein von der Heiligkeit der Ehe,
wie es im deutschen Volke lebtO'). Als in einem Theile des nördlichen
Deutschlands die französische Gesetzgebung herrschte, da waren eS
Loch nur wenige, und großentheils nur Personen, auf welche, oder
auf deren Verbindung schon ein Makel haftete, welche es bei dem
Civilacte bewenden ließen, und eS wurde ein solches, bloß von
dem Maire ohne kirchliche Weihe geschlossenes Ehebündniß, fast
als eine Art wilder Ehe oder Concubinat betrachtet. Aber auch
90) S. meine Erörterungen über die Gewissensehe im Bd. 4. S. 186 ff.
dieser Zeitschrift.
91) „Ob die kirchliche Trauung ein Zwangsinstitut werden könne —
sagt I. U. Wirth (System der speculat. Ethik, Bd. 2. S 48) —
kann etwa nur von einem Territorialsystem bejaht werden, in
welchem das Religiöse als schlechthin eins mit dem Politischen,
oder als ein Zweig des letzter« erscheint, ist aber schlechterdings
zu verneinen, weil ein gezwungener religiöser Act ein sich wider-
sprechender Begriff ist, und in ihm gerade die Innigkeit wegfiel,
welche ihn zum religiösen macht" u. s. w. S. auch Rudelbach
Thesen a. a. O. Nr. 46. . . :
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