Uebcc Gewissensfreiheit. 201
ten und die Predigt anzubören, so wie auch das heilige Abendmahl
zu feiern, wozu bei den Katholiken noch das Halten der Messe hin-
zukommt 85). Aus dem Rechte des Privatgotteödienstes folgt mit-
hin noch nicht, — wiewohl es oft vorkommt, wo der Privatgottes-
dieust ein freier oder unumschränkter ist — daß man denselben in
eigenen kirchenförmigen Gebäuden halten, daß derselbe bei offenen
Thüren stattfinden darf, oder daß es allen und jeden in- und aus-
ländischen Relr'gionsgenossen gestattet ist, daran Theil zu nehmen;
eben so wenig ist damit nothwendig die Befugniß verbunden, einen
eigenen Prediger zu halten, oder durch einen Geistlichen seiner Con-
fesfion taufen, die Ehen einsegnen zu lassen, u. s. w. Es kamen
als Beschränkungen auch wohl noch vor, daß man denselben nicht
an eben den Tagen und Stunden halten durfte, darin die herr-
schende Religion ihres Gottesdienstes pflegte; daß er nur in der
Wohnung des Berechtigten, an einem abgesonderten Ort, so daß
auf der Straße davon nichts gesehen und gehört wurde, stattfinden
sollte, daß keine Orgel dazu gehen, keine Zeichen zum Gottesdienst
auch nur innerhalb des Quartiers mit einer Handschelle zu geben
erlaubt war u. dgl. Es erklären sich diese und andere Beschrän-
kungen theilweise daraus, daß ein solcher Gottesdienst oft nur
einzelnen Personen, z. B. Gesandten, als ein besonderes Recht
eingeräumt war, vorzüglich aber gingen sie daraus hervor, daß
man ihn als ein Aergerniß betrachtete, welches so viel als möglich
verborgen und im Dunkeln bleiben sollte. Das Wesen des Haus-
gottesdienstes besteht aber in der Berechtigung: Gott nach den
Grundsätzen seiner Religion zu dienen, ohne deßwegen angefochten,
und in der Hausandacht gestört zu werden; es wurde mithin nicht
nur als eine Erweiterung jenes Rechtes betrachtet, wenn mehrere
Hausväter oder ihre Familien sich zuweilen zum Gottesdienst ver-
einigen durften, sondern auch, wenn es ihnen erlaubt war, frei
die Bücher ihrer Religion kommen zu lassen, laut zu singen, Bil-
der im eigenen Hause aufzustellen, Dienstboten ihrer Religion zu
halten. Man ersieht daraus, was es mit einer s. g. Gewissens-
freiheit für Bewandtniß hat, welche die Unduldsamkeit zur Grund-
lage hat, und nur eine dieser abgerungene Concession ist.
85) Daselbst S. 45.