Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 11 (1847))

Ueber Gewissensfreiheit. L9ß
benssätze entscheidet, so bestimmt er doch, was geglaubt werden
soll, und macht davon den Genuß staatlicher Rechte abhängig, ja
er bestimmt das Maß der Aeußerung jedes andern Glaubens.
„Der Staat bestimmt", heißt aber: der oder die Träger der Staats-
gewalt, deren Wille als Staate- oder Gesammtwille entscheiden,
und befolgt werden muß, bestimmen^). Glaube und Gewissen
eines Regenten werden etwas wesentlich Anderes, als Glaube und
Gewissen jedes andern Menschen. Es dürfte überflüssig sein, dieses
weiter auszuführen und zu verfolgen'^).
Wenn Stahl nun aber lehrt, daß cs die Pflicht Derer, in
deren Hände die irdische Gewalt gelegt ist, sei, den einen allein
wahren christlichen Glauben als Staatsreligion aufrecht zu erhal-
ten, so begegnet ihm die, besonders in Beziehung auf unsere deut-
schen Verhältnisse nicht zu umgehende Schwierigkeit, daß das Chri-
stenthum in verschiedene Confessionen zerfallen ist, und der Staat,
an welchen, wie an den einzelnen Menschen, die Anforderung er-
geht, den einen wahren christlichen Glauben zu bekennen, doch nur
der Kirche, die diesen enthält, die Herrschaft gewähren dürfte und
sollte. Er sagt daher"): „die Frage, ob nicht bloß eine Staats-
religion (das Christenthum) bestehen solle, sondern auch eine
Staatskirche, oder ob vielmehr Katholicismus und Protestantismus
gleiche Geltung im Staate haben sollen, hängt zunächst davon ab,
ob man") in einem dieser Bekenntnisse die ausschließliche und volle
Wahrheit findet, so daß das andere ein ganz entbehrliches oder

79) In einer scharfen und entschiedenen Weise wurde dieß ausgespro-
chen in einem, beiden westphälischen Friedensverhandlungen (1647)
übergebenen Schwarzburgischen Memoriale (Meiern, westphäl.
Friedenshandlungen, Th. 5 S. 546): „Und ist unwidersprechlich,
daß einem jeden Stande frei und bevorstehe, seine von Gott ihm
anvertrauten Unterthanen, ohne einiges Ansehen auf eben dem
Wege, in welchem er vor seine selbsteigene Person die Seligkeit
zu erlangen getrauet, zu leiten und zu führen, zumal sich nichts
mehr geziemet, als daß der Unterthan seiner Obrigkeit und seinem
Herrn folge, und seine Religion amplectire."
71) S. auch noch die Briefe eines Idioten S. 21 ff.
72) Stahl a. a. O. S. 283.
73) Welcher: man? die eine oder andere der beiden Kirchen selbst?
der Landesherr? oder wer sonst?
Zeitschrift f. deutsches Recht, n. Vd. » H.

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