Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 11 (1847))

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Wilda:

setzt: „daß der Staat ein christlicher sein wird, so wie das Volk
das den Staat bildet — und man könnte noch hinzufügen: und in
dem Maße, als dasselbe — ein christliches ist, denn es muß dann
die Gestaltung des Staates, da sie überall aus dem Bewußtsein
des Volkes hervorgeht, eine Aeußerung des christlichen Bewußtseins
sein." Sicher theilt auch unser Autor die Hoffnung und Erwar-
tung, daß das christliche Bewußtsein immer mehr sich läutere,
immer lebendiger erwachen wird, und wir damit auch der Einheit
im Glauben, wie sie im vollkommnen Staat bestehen muß, oder
vielmehr, wie sie bestehen muß, damit der Staat ein vollkommener
sein kann, entgegen gehen werden. Wir haben cs hier aber mit einer,
sich ganz auf den gegenwärtigen Staat beziehenden Frage zu thun:
auf den unvollkommenen Staat mit seinen religiösen Differenzen
und Parteiungen; denn nur wo dergleichen vorhanden sind, wird
die Gewissensfreiheit als ein besonderes Recht in Anspruch genom-
men und behauptet werden.
Wenn der genannte Verfasser aber sagt, daß der Staat eine
Religion, und zwar die christliche, bekennen und nach ihr handeln
müsse, so ist der Staat hier nicht sowohl das Volk, welches in
jedem Moment aus einem Inbegriff von Individuen besteht, son-
dern „die Anstalt, welche über die Menschen zu ihrer Lenkung und
Beherrschung gesetzt ist"; die Universitas, in welcher die Indivi-
duen, als solche, gar nicht in Betracht kommen. Es ist nicht sowohl
das Bewußtsein des Volkes, welches die Religion des Staates be-
stimmt, es ist der Staat, welcher möglichst das Bewußtsein, den
Glauben des Volkes bestimmen, und als Staat den rechten Glau-
ben festhalten soll. Es gibt aber nichts so rein Persönliches als
den Glauben; wie ein Unpersönliches, eine fingirte, juristische Per-
son, welche wohl als Subjeet von Rechtsverhältnissen betrachtet
werden kann, aber nicht ihr Gemüth zu Gott zu erheben vermag, einen
Glauben, eine Religion haben kann, ist nicht wohl einzusehen").
Der Staat nimmt hier, seinen Angehörigen gegenüber, eine ähn-
liche Stellung ein, wie die katholische Kirche den ihrigen. Denn,
wenn der Staat zwar auch nicht verschreibt, was geglaubt werden
muß, wenn er auch nicht unmittelbar über die einzelnen Glau-

69) Sine Gtaatsreligion (religion de Petat), sagt Klüber (öffentl.
Recht §. 525 Not. d.), ist weder rechtlich noch theologisch denkbar.

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