Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 11 (1847))

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Ueber Gewissensfreiheit.
kung des christlichen Glaubens, zur Hebung des kirchlichen Le-
bens. Wir haben hier besonders Vinet^), Rudelbach66) und
den Verfasser der Briefe eines Idioten vor Augen67). Diesen
Streitern für Religionsfreiheit gegenüber, zerfällt aber die Behaup-
tung: es habe die Forderung und Vertheidigung der Gewissens-
freiheit insbesondere auch in der Ueberzeugung ihren Grund, daß
es in religiösen Dingen gar keine objective Erkenntniß, ja keine
objective Wahrheit gebe, und deßhalb (?) kein Mensch, keine
Mehrheit von Menschen, kein Volk berechtigt sei, seinen Glauben
als herrschenden gegen Andersdenkende geltend zu machen. Wir
meinen natürlich nur den ersten Theil, den Vordersatz jener Be-
hauptung, denn allerdings sind auch jene Männer weit entfernt,
aus der Wahrheit des Glaubens ein Recht abzuleilen, ihn als
herrschenden geltend zu machen, und die Disqualificationen für
ein geeignetes oder wohl gar unerläßliches Mittel zur Befestigung
und Verbreitung der wahren Religion zu Haltens.
Wenn Stahl den Satz aufstellt, cs sei Anforderung an den
wahren, vollkommenen Staat, wie an den einzelnen Menschen, daß
er eine und zwar die wahre wirkliche christliche Religion bekenne,
nach ihr handle, so könnten wir mit ihm übereinstimmen, wenn
dieses von einer Anforderung, die sich von selbst durch die fort-
schreitende Staatsentwicklung verwirklichen soll, zu verstehen wäre;
denn wir sind ganz mit ihm einverstanden, wenn er gleich hinzu-

65) Besonders in seinem Memoire en faveur de la liberle des cultes.
Paris 1826. Und seinem Essai sur la Manifestation des convictions
religieuses et sur la Separation de l’eglise de Petat.
66) S. oben Note 3.
67) S. oben Note 61. Diese, vieles Treffliche enthaltenden Briefe
scheinen fast weniger, als sie es verdienen, bekannt geworden
zu sein.
68) S. die Aeußerung am Ende des vorigen'§. — Rudelbach sagt
in der 35. These: die Abgränzung der Sphären des Staats und
der Kirche läßt sich, gehörig vollzogen, nicht anders denken, als
so, daß allen Gliedern der Kirche und jedweder Religionsgefell-
schaft, deren Principien das bürgerliche Wohl nicht antasten (mit-
hin auch den Juden) der ungeschmälerte Genuß ihrer Bürger-
rechte, so daß ihnen aus dem religiösen Dissens irgend ein bür-
gerlicher Nachtheil nicht erwachse — erhalten werde.

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