Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 11 (1847))

Ueber Gewissensfreiheit. 187
Aber nicht bloß eine solche Vertreibung oder gar unfreiwillige
Uebersiedlung, sondern jede Entziehung von Rechten, jede Verhän-
gung von Rechtsnachtheilen um des Glaubens willen, muß als Re-
ligionszwang, als Beeinträchtigung der Gewissensfreiheit angesehen
werden. Entziehung bürgerlicher Rechte gehörte im byzantinischen
Reich insbesondere zu den gegen Ketzer, Ungläubige, namentlich auch
Juden, verhängten Strafen 58). Beschränkung in der Wahl des
Aufenthaltes, des Berufes, der Fähigkeit, Grundeigenthum zu er-
werben, u. s. w. pflegten besonders häufig in unseren deutschen Ge-
setzgebungen zu sein. Aehnliche Bewandtniß hat es aber auch mit
der Beschränkung der politischen oder staatsbürgerlichen Rechte im
engern Sinn. Es liegt darin freilich eine geringere Härte als in
der Schmälerung der privatrechtlichen Rechtsfähigkeit; deßhalb und
wohl gestützt auf Art. V. 8. 55 des Osnabrückischen Friedens, wel-
cher verordnet, daß diese mindestens den Bekennern der einen oder
andern der im Reiche recipirten Confesfionen, wo dieselben geduldet
würden, nicht entzogen werden dürfe, hat man dann wohl behaup-
tet, daß die Gewährung der bürgerlichen, nicht aber der politischen
Rechte zur Gewissensfreiheit gehöre. Die Härte, welche in der Ent-
ziehung der staatsbürgerlichen Rechte liegt, wächst aber in dem
Maaße, als politischer Sinn in einem Volke rege wird, und die
Theilnahme an Ausübung der öffentlichen Gewalt eine höhere Be-
deutung und größer« Werth erhält; insbesondere ist dieß aber der
Fall, wenn mit der Ausübung staatsbürgerlicher und somit auch der
Gemeinderechte noch anderweitige Vortheile verbunden sind; oder
die Ausschließung von derselben Grund oder Vorwand zur Beschrän-
kung der privatbürgerlichen Rechte ist, und somit der ungeschmälerte
Genuß der letzteren nur illusorisch wird. Mit Recht bemerkt Stahl59):
„das Private und Oeffentliche durchdringen sich so, daß nach einer
rücksichtslosen Consequenz aus dem Zugeständniß voller Privatbe-
rechtigung zuletzt auch Theilnahme am Oeffentlichen, und umgekehrt
aus der Verweigerung des Oeffentlichen zuletzt gänzliche Austreibung
folgt." — Die deutschen Reichsstände, welche zur Zeit der Religions-

58) S. Z i m m e r n, Geschichte des römischen Privatrechts Bd. l. S. 472 ff.
59) Philosophie des Rechts. 2. Bd. 1. Abth. S. 286. Erste Auflage,
welche hier immer angeführt wird, weil sich in der zwriten ei»
Abschnitt über Staatsreligion nicht findet.

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