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Wilda:
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Aber der Zweck der angeführten Bestimmung war ohne Zweifel
nicht, die Landesherren von jener reichsgcsetzlichen, ohnehin schon
längst nicht mehr beachteten, Vorschrift zu entbinden, sondern von
der durch die Landesverfassungen gesetzten Beschränkung des s. g.
Reformationsrechtes zu befreien. Die Gleichstellung der drei Con-
fessionen in den einzelnen deutschen Staaten machte in Rheinbunds-
zeiten noch weitere Fortschritte, und der Grundsatz, daß das Glau-
bensbekenntniß keine Verschiedenheit in dem staatsbürgerlichen Rechte
begründen solle, wurde näher gebracht52). Man sah selbst Juden in
deutschen Ländern im Besitz des Staatsbürgerthums. Der 16. Artikelder
deutschen Bundesacte, welcher „den (drei) christlichen Religionsparteien
den gleichen Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte sichert", bat
mithin nur bestätigt, was in vielen Staaten schon bestand, hat aber
dieses nun auch auf alle Staaten ausgedehnt. Auffallend ist es,
daß in demselben der Religionöübung gar nicht erwähnt ist; wir
werden später darauf zurückkommen. „Daß man es bedenkich fand,
jene Bestimmung auch auf die christlichen Secten auszudehnen," ist
bekannt; wir wissen aber nicht, welche Gründe diese Bedenken ver-
anlaßt haben, wahrscheinlicherweise beruhten sie darauf, daß manche
Secten sich der Erfüllung von Bürgerpflichten entziehen. Die Be-
ziehung, welche auf diese Erfüllung in dem von den Juden han-
delnden Passus genommen wird, macht es nicht unwahrscheinlich.
Den Landesregierungen blieb es daher überlassen, ob und welche
52) Die Fürsten, welche dem Rheinbund beitraten, mußten in den
Accesflonsurknnden sich verpflichten, den Katholiken freie Reli-
gionsübnng und gleiche bürgerliche und politische Rechte einzu-
räumen. („ — L’ exercice du culte catholique sera — pleinement
assimile ä l’exercice du culte lutherien, et les sujets de deux re-
ligions jouiront sans restrietion des memes droits civils et politi-
ques.“) S. Klü ber's öffentliches Rechts. 525 not. c. Wenn
gleich diese Stipulationen von Napoleon nur zum Besten der
katholischen Kirche bewirkt worden waren, so steht man doch aus
der Fassung der Artikel, daß dabei der Gedanke zu Gruude lag,
eine Verschiedenheit der Rechte der Religionsparteien sei unzu-
läsflg. In mehreren Staaten erfolgte nur die Gleichstellung der
drei Religionsparteien, z. B. in Wirtemberg durch Religions-
edict v. 15. Oct. 1806.; in Baiern durch Cdict v. 24. März
1809. (S. Moy a. a. O.)