Ueber Gewissensfreiheit.
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habt hätte, bedarf keiner Auseinandersetzung39j; es ergiebt sich auch
hinlänglich aus dem, was später sich ereignete. Entscheidender für
die Denkungsart und Gesinnung der damaligen Zeit ist aber, daß
auch Protestanten, Lutheraner wie Reformirte, jedes andere Bekennt-
niß als das ihrige „als eine verdammte unchristliche Lehre" betrach-
teten, und soweit sie es vermochten, in ihren Ländern zu unterdrücken
oder zu beschränken suchten. So war z. B. in Schleswig Holstein
in der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts entschiedener Grundsatz,
daß diejenigen, welche nicht der reinen evangelisch-lutherischen Lehre
zugethan waren, und sich von ihrem Jrrthum nicht wollten abführen
lassen, im Lande nicht geduldet werden durften 40); und eine Reihe
von Verordnungen waren erlassen, „um das Gift der falschen ver-
führerischen Lehre", der Katholiken sowohl als der Wiedertäufer und
Sacramentirer (Reformirten), nicht im Lande sich verbreiten zu lassen41)„
So sollte in Württemberg, wo in Landesgesetzen die lutherische Con-
fession als „die alleinseligmachende" bezeichnet wird 42), wer zu
39) 3tiFrancisci Burgkardi (cvllttischeu Geh.Raths und Kanzlers) Tractat
de autonomia d. i. von der Freistellung mehrerlei Religion und
Glauben u. s. w. München 1586, 2te Ausg. 1602 wird u. A. ge-
lehrt: „obwohl der Glaube anfänglich, und ehe ein Mensch den-
selben annimmt, ein freyes Ding ist, dazu weder Gott noch die
Kirche jemanden zu zwingen pflegt, als man solches an Türken,
Juden und Heiden sieht, die man zur Taufe nicht dringet ; so müssen
doch die Freisteller wissen, daß allhier von solcher Freiheit nicht,
sondern von getauften und denen Christen geredet wird, welche, da sie
sich einmal zum Glauben begeben und denselben angenommen, nicht
mehr solchermaßen frei sind, daß sie glauben mögen, was sie wollen;
sondern ihr Glaube muß nach der Ordnung ihrer Mutter, der
christlichen Kirche (welche sie in das Reich Christi durch die Taufe
gebohren) regulirt, und sie dem Glauben gehorchen d. i. der
Kirche gehorsam seyn; ohne das werden stewie Heiden
und Publicanen gehalten, und müssen ihre geistliche
und zeitlich eStrafe von den Obrigkeiten erwarten."
Diese Stelle hatte wohl Putt er, hist. Entwicklung Bd. 2. S. 17
vor Augen.
40) F alck, Schleswig Holstein. Privatrecht Bd. 4. S. 158.
41) F alck a. a. O. S. 157.
42) Erläuterung des Tübinger Vertrages von 16S7 rmd Eberhards
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