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Wild a:
»Non est crudelitas pro Deo pietas. Unde in lege dicit: si
frater tuus et amicus et uxor, quae est in sino tuo de-
pravare te voluerit a veritate, sit manus tua super eos,
et effunde sanguinem eorum, et auferas malum de medio
Israel.«
Hatte man aber einmal die Ansicht aufgegeben, daß im Reiche
des Glaubens volle Freiheit herrschen müsse, war man dahin ge-
kommen, Schmerz und Qualen, von Menschen den Menschen zuge-
fügt, für geeignete Mittel zu halten, Herz und Sinn dem Christen-
thum zu öffnen, den rechten Glauben aufrecht zu erhalten, so war
die Geltendmachung von Grundsätzen, wie sie Hieronymus und
Leo der Große ausgesprochen hatten, nur eine nothwendige Folge.
Mit Gesetzen gegen das Heidenthum hatte man begonnen, darauf
folgten Maßregeln gegen Juden und Häretiker. Zunächst waren
sie unfähig erklärt, öffentliche Aemter und Ehrenstellen zu bekleiden,
und die Entziehung wichtiger bürgerlicher Rechte machte gleichsam
den Uebergang zu einem an Härte und Strenge zunehmenden Straf-
system.
§. 5.
Diese Grundsätze, wie wir sie so eben kennen gelernt haben,
haben sich, begünstigt durch die Versunkenheit der an den ärgsten
despotischen Druck und Erniedrigung gewöhnten römischen Völker,
und durch die Rohheit und gläubige Hingebung der germanischen
Stämme, seit dem 5. und 6. Jahrhundert so verbreitet und befe-
stigt, daß sie gleichsam zur geistigen Substanz aller folgenden Jahr-
hunderte geworden sind. Zwar fehlte es im Mittelalter nicht an
Kämpfen für die eigene freiere Ueberzeugung gegen die Glaubens-
despotie und Herrschgewalt der Kirche, aber erst von den Refor-
matoren ist die Freiheit als Princip des christlichen Glaubens wie-
der erkannt und verkündet worden.
plerisque ejus discipulis legum publicarum esse prosternerent —
Profuit diu ista districtio ecclesiasticae lenitati, quae etsi sacerdo-
tali contenta judicio, cruentas refugit ultiones, severis tamen
Christianorum principum constitutionibus adjuvatur, dum ad spi-
ritale nonnunquam recurrunt remedium, qui timent corporale
supplicium.