Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 5 (1895))

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Melly, Die Uebersendungspflicht des Verkäufers und ihre Wirkungen
die Verkehrssitte nicht verlangen, daß bei bedungener Lieferung einer und derselben
Waarengattung in Raten und nachdem der Käufer eine ihm übersendete Rate be-
anstandet hat, der Verkäufer mit Uebersendung der weiteren gleichartigen Raten
fortfahren müsse; denn dieß könnte doch nur zur Folge haben, daß die Ablehnung
wiederholt, nach Befinden die Waare hin und hergeschickt würde. Ebenso wird
für den Verkäufer einer Waare, deren Annahme der Käufer im Voraus ver-
weigert hat, keine Verpflichtung bestehen, diese Waare dem Käufer zu übersenden,
auch dann nicht, wenn der Käufer nachträglich abnehmen zu wollen erklärt,
diese Erklärung aber nicht als ernstlich gemeint anzusehen ist, wenn also der
Käufer nicht Veranstaltung trifft, die Empfangnahme der Waare am Empfangs-
orte zu realisiren. Wollte mm in solchen Fällen der Verkäufer auf Erfüllung
klagen oder nach vorheriger Androhung (§§ 354, 356 des H.G.B.) zum Selbst-
hilfevcrkauf schreiten, so würde hierfür der Nachweis der Erfüllungsbereitschaft
auf seiner Seite genügen in dem Sinne, da^, er tatsächlich sich in der Lage be-
finde, bez. befunden habe, den Kaufsgegenstand (— sei es auch durch einen Dritten,
der ihn zu seiner Verfügung bereit hält —) zu liefern d. h. dessen Empfangnahme
verwirklichen zu lassen. (Entsch. des Reichsgerichts Bd. VIII S. 24, Bd. XXIX
S. 66.)
Aus der Uebersendungspflicht des Verkäufers, soweit sie auch im Mangel
vertragsmäßiger Bestimmung als bestehend anzuerkenncn ist, folgt aber noch nicht,
daß im konkreten Falle die Absicht der Kontrahenten dahin gegangen sei, es solle
hinsichtlich des Orts der Erfüllung etwas von dem Gesetze Abweichendes gelten,
insbesondere also nicht, daß der Verkäufer auf sein gesetzliches Recht, an seinem
Orte erfüllen zu können und auf die ihm damit gewährten Bortheile habe ver-
zichten sollen. Die Erfüllung seilen des Verkäufers am Orte der Versendung,
der meist mit dem Orte seiner Handelsniederlassung zusammenfallen wird, ist
rechtlich auch vollkommen möglich. Denn nach Art. 344 H.G.B. gilt für den
Fall, daß die Waare dem Verkäufer von einem andern Orte übersendet werden
soll d. h. ebensowohl wenn hierfür ausdrückliche Vereinbarung besteht, als wenn
der Käufer über die Art der Uebersendung nichts bestimmt hat, der Verkäufer
für beauftragt, die Bestimmung statt des Käufers zu treffen. Mit.Ueber-
gabe der Waare an die Eisenbabnverwaltuna.Postanstalt^—dem_jllnstinen Fracht-
fiihrer'öder vernSpediteur hat hiernach der Verkäufer jedenfalls der ihm persönlich
obliegenden Vertragspflicht genügt und damit den Vertrag erfüllt/ dies um so ge-
wisser, als nach der Uebergabe der Waare an den Frachtführer oder Spediteur
gemäß Art. 345 Abs. 1 H.G.B. der Käufer die Gefahr trägt, von welcher die
Waare auf dem Transport betroffen wird, und dies nur dann eine Abänderung
erleidet, wenn der Bestimmungsort, der Waare als Erfüllungsort stipulirt
ist (Art. 345 Abs. 2.).
Eine andere Frage ist nun aber die, ob der eben bezeichneten Uebergabe
der Waare die Rechtswirkung der juristischen Tradition an den Käufer bei-

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