Äifferenzgeschäst.
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gesetzt werde dabei nur, daß er ordnungsmäßig operire d. h. rechtzeitig ein
Deckungsgeschäft vornehme, nicht etwa mit dem Gegenkontrahenten des ersten Ge-
schäfts, sondern am offenen Markte mit einem beliebigen Dritten. Die Waare,
welche er dann von dem Gegenkontrahenten des einen Geschäfts erhält, benutzt er,
um sie seinerseits dem andern zu liefern, und durch die Zahlung erhält er das
Mittel, um seinerseits dem Elfteren. Zahlung zu leisten.
Soweit dies Argument eine allgemeinere Bedeutung für sich in Anspruch
nimmt, geht es fehl, indem es zwei dem Wesen nach sehr verschiedene Dinge, die
nur äußerlich einander gleichen, nicht auseinander hält. Der Kaufmann, der ge-
werbsmäßig kaust, um mit Gewinn zu verkaufen, will durch den Umsatz der
Waare gewinnen. Dieser Handel ist wirthschaftlich und für die Allgemeinheit
nothwendig, im großen Durchschnitt volkswirthschaftlich produktiv. Und deshalb
ist es natürlich, daß das Recht eine Klage auf Erfüllung, eventuell auf das In-
teresse für das Kaufgeschäft gegeben hat. Ob im Einzelnen nutzbringend für
die Allgemeinheit und für den spekulirenden Kaufmann von diesem gekauft und
verkauft wird, darum kann sich das Privatrecht nicht kümmern; eö würde
seinen Charakter verleugnen, wenn es nicht dem kontrahirenden Privatmann einen
weiten Spielraum für die Freiheit seiner Erwägungen und seiner Entschließungen
einräumte. Jenen Boden, dem Umsatz der Waare zu dienen, verläßt aber im
Allgemeinen der Kaufmann nicht, wenn er, statt die Waare selbst abzunehmen,
seinen Verkäufer anweist, statt an ihn, an einen Dritten zu liefern, dem er seinerseits,
sei es vorher, sei es nachher, sei es mit Vortheil, sei es mit Schaden weiter ver-
kauft hat, und wenn er, statt sie mit eigenem Gelde zu bezahlen, sie von seinem
Abkäufer mit dessen Gelde dem ersten Verkäufer bezahlen läßt. Ob nicht auch
ein Kaufmann, welcher in der von dem Berufungsurtheil angerathenen Weise, aber
gewerbsmäßig verfährt und dabei unniäßig und weit über seine Kräfte spekulirt,
sich nicht bloß nach § 210 der K.O. wegen Differenzhandels strafbar machen,
sondern auch in dem Sinne spielen kann, daß seinen Geschäften die Klagbarkeit
unter Umständen zu versagen wäre, mag hier dahingestellt bleiben. In entschie-
denerer Weise tritt die Abweichung von dem regelmäßigen und. korrekten Waaren-
handel bei dem Börsenspieler hervor, dem von vorn herein der Umsatz in der
Waare, über deren Preise nnd Kurse er das Disferenzgeschäft schließt, völlig gleich-
gültig ist. Er will auch gewinnen, aber nicht dadurch, daß er die Waare in an-
dere Hände bringt, sondern allein dadurch, daß er die Differenz des Preises,
den nach seiner Hoffnung die Waare an diesem Börsenplätze zu dem gehandelten
Termine kosten wird, im Vergleich zu dem Kurse, zu welchem der Preis zur Zeit
des Abschlusses des Spielvertrags für jenen Termin an der Börse veranschlagt
wird, einstreicht, ohne die Mühe und' ohne die Gefahren des Umsatzes auf sich
zu nehmen. Ihm ist es völlig gleichgültig, ob Waare dieser Gattung in der
Menge, über welche die für jenen Termin gezeichneten Schlußscheine lauten, zu
diesem Termine am Platze sein wird. Ihm ist es ebenso gleichgültig, daß er gar
Archiv für Vürgerl. Recht u. Prozeß. V. 22