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8 Melly, Die Uebersendungspflicht des Verkäu ers und ihre Wirkungen.
gelegt werden kann, ober ob diese Wirkung erst mit der thatsächlichen Ablieferung
der Waare an den Käufer am Bestimmungsorte eintrilt. Daß Uebergabe in
diesem Sinne keinen nothwendigen Bestandtheil der Erfüllung des Verkäufers
bildet, darf schon daraus gefolgert werden, daß nach Absendung der Maare es
sich nicht mehr um eine obligatorische Leistung des Verkäufers, sondern nur noch
um den Eintritt einer Thalsache (factum traditionis) handelt, womit das Rechts-
geschäft seinen Abschluß erhält.
Die Frage selbst kann zunächst gemeinrechtlich nicht als unbestritten
gelten, indem es hier darauf ankam, ob derjenige, welcher eine Sache mit dem
Aufträge übernimmt, dieselbe an einen Andern abzuliefern, im Zweifel für diesen,
nicht für den Auftraggeber, besitzen wolle und daher Realoblation an erstcrn an-
zunehmcn wäre; Windscheid giebt dies jedoch nicht zu und verneint deshalb auch die
von Anderen vertretene Ansicht, daß in der Versendung der Waare ein vonstitutum
possessorium liege. (Lehrbuch des Pandektenrechts 7. Aufl. I § 155 S. 447
bei u. in Note 6 a, S. 449 bei u. in Note 8, 8 a). Dagegen ist durch das
Allg. Preuß. Landrecht Theil I Tit. 11 §§ 128, 129, 1302) der Ueber-
lieferung der Waare u. a. an den Frachtführer die Wirkung der Uebergabe an
den Käufer beigelegt worden.
^ Bei den Beralhungen des Entwurfs eines Allgemeinen Deutschen Han-
delsgesetzbuchs sowohl in erster als zweiter Lesung gab dieselbe Frage in Be-
treff der Uebergabe zu ausführlichen Erörterungen Anlaß. Der den Beschlüssen
der ersten Lesung zu Grunde liegende preußische Entwurf Art. 261 lautete in An-
schluß an die landrechtlichen Bestimmungen also:
„Soll die Waare dem Käufer übersendet werden, so gilt die Uebergabe
für vollzogen, wenn die Waare an dem von dem Käufer bestimmten Spediteur
oder Frachtführer abgegeben ist.
Hat der Käufer über die Art der Uebersendung nichts bestimmt, so gilt
der Verkäufer für beauftragt, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns
die Bestimmung statt des Käufers zu treffen, und die Abgabe an die
vom Verkäufer bestimmte Person gilt als Uebergabe",
Bei der ersten Lesung wurde lediglich die Einschaltung der Worte „zur Verfügung
des Käufers" im ersten Absatz nach „Frachtführer" beschlossen, im zweiten Absatz
aber nach den Worten: „zu treffen" der Schlußsatz dahin abgeändert:
2) § 188 Unter Abwesenden ist die Uebergabe beweglicher Sachen vollzogen, sobald
die Sache dem Bevollmächtigten des Käufers ausgehändigt, oder auf die Post gegeben, oder
dem Fuhrmanne oder Schiffer überliefert worden.
tz 129. Doch muß die Uebermachung entweder nach der Anweisung des Käufers geschehen,
oder von diesem die Art derselben dem Gutbefinden des Verkäufers, ausdrücklich oder still-
schweigend, überlassen worden sein.
8 130. Auch wird, wenn durch eine solche Uebergabe Eigenthumund Gefahr
auf den Käufer übergehen soll, vorausgesetzt, daß der Kauf selbst unter den abwesenden
Parteien völlig abgeschlossen worden.