86 Pfeiffer: Der Verfassungsstreit in Kmheffen.
Verordnungen befolgt, der Kriegszustand wird gehandhabt. Nach-
dem so auf der einen Seite der geordnete Zustand im Sinne des
Ministeriums hergestellt ist, fragt es sich, ob von der anderen Seite
gleichfalls die baldige Herstellung eines regelmäßigen Zustandes in
Gemäßheit der fortwährend hierüber ertheilten Verheißungen beab-
sichtigt wird. Nach §. 95 der Verf.Urk., welchen das Ministerium
sämmtlichen Maßregeln zum Grunde legt, soll im Falle des einsei-
tigen Erlasses einer Verordnung „sobald, als möglich, die Einbe-
rufung der Landstände Statt finden, um deren Beistimmung zu den,
in den gedachten Fällen erlassenen, Anordnungen zu erwirken."
Demgemäß ist in den Verordnungen vom 4. und 7. September
ausdrücklich zugesichert worden, daß die Verordnungen so lange in
Kraft bleiben sollen, „bis mit den sobald als thunlich einzuberufen-
den Landständen anderweite Vereinbarung getroffen ist", beziehungs-
weise „bis wegen deren Genehmigung an die baldthunlichst zu ver-
sammelnden Landstände Vorlage gemacht werden kann." In ähn-
licher Weise hat das Ministerium in der Ansprache an den Stadt-
rath vom 10., der Belehrung an die Behörden vom 11., der Denk-
schrift an die deutschen Regierungen vom 19. und der Verordnung
vom 26. September, so wie in der landesherrlichen Verkündigung vom
28. Oktober wiederholt und nachdrücklich darauf hingewiesen , daß
die Verordnungen nur eine vorübergehende Geltung bis zum Zu-
sammentritt der Landstände haben könnten, daß sie vor diesen, dem
allein hierzu verfassungsmäßig berechtigten Organe, gerechtfertigt
und verantwortet werden sollten, daß der Zweck aller Regierungs-
Maßregeln nur die Aufrechterhaltung der Landesverfas-
sung sei. Fünf Monate sind verflossen, ohne daß die in Aussicht
gestellte Zusammenberufung der Landstände erfolgt ist. Den 2. März
1851 lauft die äußerste Frist ab, innerhalb deren nach 8.83 der Vrrf.-
Urk. die Stände nach Auflösung derselben einberufen werden müs-
sen. Es würde ein Frevel sein anzunehmen, daß das Ministerium
diese Bestimmung der Verfassung umgehen, seine Verheißungen un-
erfüllt lassen und die Verantwortung seiner Maßregeln, welche für
Fürst und Vaterland gleich verhängnißvoll geworden sirch, vereiteln
werde.
Ueber der Zukunft Kurheffens liegt ein dichter Schleier. Wie
sich aber auch die nächsten Tage und Jahre gestalten werden, die Ereig-
nisse der jüngste« Vergangenheit in Kurheffen, die Haltung des Volks,