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du Chesne, Der dingliche Anspruch nach dem D. B.G.B.
Eigenthümlichkeiten bedarf oder zu bedürfen glaubt, und der ihm ebendeshalb nicht
bereits vom Gesetz gesichert ist. Nur die Interessen, die jedem Rechtsgenosscn
eigen, schützt das Gesetz als absolute Rechte; für andere darüber hinausragende
Interessen mag sich jeder Rechtsgenosse den Schutz in anderer Form schaffen.
Dies ist ihm, da er nicht die rechtschaffende Macht der Rechtsgemeinschaft besitzt,
nllr durch Vertrag (lex contractus) möglich. Durch ihn kann er freilich auch
nur Einen oder Wenige, von denen er gerade zunächst Angriffe auf seine Interessen
zu fürchten hat, binden. Immerhin kann er, wenn er mit jedem, von dem er
einen Angriff vermuthct, einen solchen Vertrag abschließt, den ihm vom Rechte
ohnedies gewährten Schutz erheblich verstärken und sich eine Position sichern, die
im Erfolg dem Schutze des absoluten Rechts gleichkommt. Die Strafe des öffent-
licheil Rechts und der (sächsischen) Negatorienklage kairn er durch Verabredung einer
Vertragsstrafe ersetzen. Die Verjährung des Bertragsrechts beginnt ebenfalls erst
mit der vertragswidrigen Störung.
Ein weiteres Beispiel: A. hat mit B. einen Kaufvertrag über eine beweg-
liche Sache geschlossen, die mit Wissen der Parteien draußen auf dem Felde des
B., des Verkäufers, liegt. Vereinbart ist, daß A. sich die Sache vom Felde
holen soll. A. hat einen klagbaren Anspruch, der von seiner Entstehung ab der
Verjährung unterliegt.
Ein dritter Fall ist die gewöhnliche Kaufsklage aus Uebergabe der Sache.
Der Anspruch des Miethers ist ein solcher auf Unterlassen, der des Käufers
im zweiten Beispiele ein solcher ans Dulden, also Thun, der gewöhnliche Kaufs-
anspruch ein solcher auf Thun.
Die Aehnlichkeit des ersten Anspruchs mit dem „dinglichen Anspruch auf
Unterlasseil", die des zweiten mit dem Ansprüche auf Aufsuchung uild Wegschaffung
von Sachen, die des Dritten mit der Vindikation fällt sofort ins Auge. Der
obligatorische Anspruch auf Unterlassen ist, wie ebenfalls sofort ersichtlich, zum
Schutze des dinglichen Micthrechts in einer über das Gesetz hinausgehenden
Weise bestimmt. Und m. E. würde, wenn man die obligatorischen Ansprüche
auf Unterlassen, soweit sie im praktischen Leben Vorkommen, untersuchte, sich immer
wieder finden, daß sie zum Schutze eines absoluten Rechts bestimmt sind.
Dient hiernach der (dingliche oder obligatorische) Anspruch auf Unterlassen
fast ganz oder ganz dem absoluten Rechte, so thut dies der Anspruch auf Thun
(und Dulden) in weit geringerem Maßstabe. Das Hauptgebiet des Anspruchs
auf Thun insbesondere ist das „relative", zum Ausgleiche zweier Rechtssphären
dienende Recht, das Recht des Vertrags und ihm ähnlicher Erscheinungen. Das
„relative" Recht trennt nicht, sondern verbindet. Um dies zu vermögen, bedarf
es einer starken Zwangsgewalt, die den Widerstand des absoluteil Rechts brechen
kann. Sein Imperativ lautet nicht mehr: du darfst nicht!, sondern: du mußt!
Es setzt die Erkenntniß voraus, daß den menschlichen Interessen durch deil Aus-
tausch der Güter gegen einander unter Umständen besser gedient ist, als durch den,