Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 10 (1900))

du Ches ne, Der dingliche Anspruch nach dem D. B.G.B. 687
billigt, so ergiebt sich daraus, daß der Wille des Berechtigten nur auf die Sache
selbst und nur der Gesammtwille der Rechtsgenossenschast gegen eine Störung des
Eigenthumswillens von außen gerichtet ist. Anders ausgedrückt: Der Eigenthums-
wille hat, wie jeder Wille, nur eine Richtung, er umfaßt die Sache; die Rechts-
ordnung billigt diesen Willen und verbietet den Rechtsgenossen, ihm zuwider zu
handeln. Nicht aber besteht das Eigenthum darin, daß der Berechtigte von jeder-
mann fordert, ihn nicht in seinem Rechte zu verletzen; nicht sein Wille, sondern
der der Rechtsordnung richtet sich gegen jedermann, ganz wie die strafrechtliche
Norm. Der Wille des Berechtigten erhält erst dann die Richtung gegen einen
Menschen, wenn ein solcher sein Recht verletzt, wie die Hand eines Menschen sich
erst dann zur Vertheidigung erhebt, wenn ein Angriff erfolgt. Vor der Rechts-
verletzung aber besteht das Verhältniß des Berechtigten zu jedem Dritten lediglich
in dem Bewußtsein, daß er im Falle einer Verletzung sein Recht thätlich und
durch Klage vertheidigen, den seinem Rechte entsprechenden Zustand wollen und
verwirklichen darf, während der Dritte nur das Gebot der Rechtsordnung, Ver-
letzungen zu unterlassen, zu befolgen hat. Dies Verhältniß zwischen dem Berech-
tigten und jedem Dritten ist aber der zu Anfang hervorgehobene „dingliche An-
spruch auf Unterlassen". Diesen Anspruch kann jeder erfüllen und jeder erfüllt
ihn, auch wenn er gar nichts von dem Eigenthümer und der Sache weiß; denn
gegen ihn geht der Anspruch (gegen jedermann) und er unterläßt Eingriffe in
das Eigenthum. Diese Folgerung wird sich nicht abweisen lassen, denn gegen alle
Menschen, nicht nur gegen die, die von dem dinglichen Rechte etwas wissen, geht
der „Anspruch". Damit stimmt zweifellos nicht die bereits erwähnte Begriffs-
bestimmung der Motive zum I. Entwürfe: „Unter Anspruch wird das Recht in
seiner Richtung gegen eine bestimmte Person verstanden, vermöge dessen von
ihr eine gewisse Leistung — die zur Verwirklichung des Rechts erforderliche
Handlung oder Unterlassung — verlangt werden kann." Denn ein Anspruch
gegen jedermann ist kein Anspruch gegen eine bestimmte Person, und die Unter-
lassung eines Eingriffs von Seiten aller Menschen verwirklicht noch lange nicht
das dingliche Recht; das thut erst die Herrschaft über die Sache. Und doch fassen,
wie oben gezeigt, der I. Entwurf sowohl wie das Gesetz selbst den dargestellten
„dinglichen Anspruch auf Unterlassen" mit unter den Anspruchsbegriff, und die
Kommissionsprotokolle sagen noch außerdem:
„Die gegen den Anspruchsbegriff erhobenen Bedenken seien nicht begründet.
... Die Bestimmung des § 154 Abs. 1 Satz 1 (das Recht einer Person, von
einem Andern eine Leistung zu verlangen (Anspruchs) träfe auch für die auf ein
Unterlassen gehenden Ansprüche unzweifelhaft zu, eine besondere Vorschrift über den
Beginn der Verjährung dieser Ansprüche sei allerdings nothwendig." (s. a. § 198
B.G.B.). Man muß sich also mit der Einbeziehung des dargestellten Verhält-
nisses unter den Anspruchsbegriff abfinden, obwohl auch die Herkunft des Wortes
Anspruch („kampflich ansprechen", uxore eum aliquo) dazu nicht recht stimmen

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