Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 10 (1900))

du Ehesne, Einfluß des neuen Rechts auf in,der Entstehung begriffene Verträge. 663
Diese der römischen stipulatio ähnliche Konstruktion des Vertragsschlusses
ist die des neuen Rechtes, aber keineswegs begriffsnothwendig. Denn während
§ 154 D. B.G.B. ausdrücklich vorschreibt, daß der Vertrag erst zum Abschlüsse
gelangen kann, wenn alle Vertragspunkte, d. i. Vorstellungselemente, über die
nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll,
festgestellt sind, geht das Sächsische Recht im § 827 B.G.B.'s von der Anschauung
aus, daß die Essentialien eines Vertrags bindend schon vor dem endgültigen
Vertragsabschlüsse vereinbart werden können. Während also nach neuem Rechte
zuerst der gesummte Vorstellungsinhalt festgestellt und dann erst mit Rechtswirkung
durch einheitlichen Willensakt zum Vertragsinhalt erhoben wird, können nach
Sächsischem Recht rechtlich wirksameWillcnsakte auch schon bezüglich bestimmter einzelner
Elemente der Gesammtvorstellung stattfinden. Die Konsequenzen dieses Unter-
schiedes werden uns weiter unten zu beschäftigen haben.
Nun wird die Willenserklärung nach § 130 D. B.G.B.'s (vergl. § 815
S. B.G.B.'s), wenn sie unter Abwesenden abgegeben wird, erst wirksam, wenn
sie dem Andern zugeht. Daraus ergiebt sich, daß Alles, was vor diesem Zeit-
punkte liegt, rechtlich unwirksam und den psychologischen Vorgängen im Menschen
bis zum Aussprechen der Willenserklärung unter Anwesenden gleichzusetzen, also
gewissermaßen interner Vorgang ist. Der Vertragswille kann also vom Rechte
erst dann ergriffen werden, wenn er dem Gegner erkennbar gemacht ist. Dann
aber äußert er auch alsbald gewisse Rechtswirkungen, die nach den einzelnen
Rechten verschieden sein können; vergl. §§ 130, 145 flg. D. B.G.B.'s, §§ 815 slg.
S. B.G.B.'s. So muß beispielsweise nach Deutschem Rechte der Antrag sofort
angenommen werden, nach Sächsischem Rechte darf die Annahme nur nicht unge-
bührlich verzögert werden.
Aus dem § 170 E.G. ließ sich nun, wie wir oben gesehen haben, direkt
nur der Satz ableiten, daß Schuldverhältnisse, deren Tatbestand zur Zeit,
des neuen Rechts verwirklicht wird, nach diesem zu beurtheilen sind. Der Antrag
kann aber zweifellos alö Schuldverhältniß im Sinne des D. B G.B. nicht an-
gesehen werden, da dies, abgesehen von den andern Verpsiichtungsgründen, einen
vollendeten Vertrag voraussetzt. Es fragt sich also, nach welchem Rechte sich die
Rechtswirkungen des Antrags beurtheilen. Nach den bisherigen Erörterungen kann
dies nur das Recht sein, unter dessen Herrschaft der Antrag zugegangen ist, weil
er erst damit rechtlich existent geworden ist. Es kann also ein Antrag, den der
Antragende am 31. Dezember 1899 zur Post gegeben hat und der dem Gegner
ordnungsmäßig am 2. Januar 1900 zugeht, in seinen Wirkungen nur nach neuem
Rechte beurtheilt und sein Inhalt nur nach diesem ausgelegt werden, und zwar
nach Sächsischem, wie Deutschem Rechte, da beide von der Empfangstheorie ausgehen.
Hier erhebt sich der Einwurf:
Die dem Anträge zu Grunde liegende Vorstellung des künftigen rechtlichen
Erfolgs ist unter der Herrschaft des alten Rechts vom Antragsteller konzipirt

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