Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 10 (1900))

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Sparkassenbücher, Pfändbarkeit.

Sparkassenbuch der Sparkasse zu Limbach mit einer Einlage von noch 330 Ji 98 J;.,
das sich in der Verwahrung des Rechtsanwalts B. in Chemnitz befand, mit deö
Letzteren Einverständniß pfänden lassen. Der Vater des Schuldners hat gegen
diese Pfändung aus eigenen Rechten Einwendungen erhoben. Diese sind vom
Vollstreckungsgericht zurückgewiesen worden. Gegen diesen Beschluß hat er Be-
schwerde eingelegt.
Der Beschwerdeführer steht zwar dem Vollstreckungsverfahren als Dritter
gegenüber. Seine Berechtigung zur Erhebung von Einwendungen aus § 766
C.P.O. ist jedoch nicht zu bezweifeln. Denn eine unrichtige Art und Weise der
Zwangsvollstreckung zieht nothwcndigerweise das ihm kraft der elterlichen Gewalt
zustehende Recht der Nutznießung am Vermögen seines Sohnes in Mitleidenschaft
(vergl. Entsch. des Reichsgerichts Bd. 34 S. 380).
Die Beschwerde ist auch sachlich begründet.
Die Zwangsvollstreckung ist nach Maßgabe der Bestimmungen über die
Pfändung beweglicher Sachen vorgenommen worden. Dies wäre nur statthaft
gewesen, wenn sich das gepfändete Sparkassenbuch als ein Werthpapier im Sinne
von Z 722 C.P.O. a. F. ansehen ließe. Nach dem einschlagendcn Regulativ ist
die Sparkasse zu Limbach zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, an den Inhaber
des Einlagcbuchs die darin verbriefte Summe auszuzahlen, Die Bücher stellen
sich also als sog. unvollkommene Jnhaberpapiere im Sinne von § 1048 des
Sächs. B.G.B.'s und von 8 808 des Deutschen B.G.B.'s dar. Nun ist die
Frage, ob Papiere dieser Art den Charakter von Werthpapieren tragen, stark um-
stritten. Allein die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich in Uebereinstimmung
mit der in der Literatur vorherrschenden Meinung für die Verneinung der Frage
entschieden, indem sie nur solche Urkunden zu den Werthpapieren zählt, die selbst-
ständige Träger einer Forderung sind und daher einen selbständig realisirbaren Ver-
mögenswcrth haben.
Vergl. Entsch. des Reichsgerichts in Civils., Bd. 8 S. 375, 9 S. 245,
10 S. 40, 20 S. 135, 29 S. 301 und die Entsch. des O.L.G.'s
Dresden im Sächs. Archiv Bd. 7 S. 638/39.
Dieser Auffassung schließt sich das Beschwerdcgericht an. Die angezogenen
Urtheile des Reichsgerichts sind zwar nicht auf dem Boden der C.P.O. ergangen,
sondern erörtern die vorliegende Frage vom Standpunkte anderer Reichsgesetze,
namentlich des Art. 313 des füheren H.G.B.'s aus. Dies steht aber ihrer Ver-
werthung bei der Auslegung des oit. 8 722 der C.P.O. nicht entgegen, da im
Mangel jeden Anhalts für das Gegentheil anzunehmen ist, daß der Begriff
„Werthpapier" in allen Reichsgcsetzen, die sich seiner bedienen, ein einheitlicher ist.
Die hier vertretene Ansicht findet gewichtige Unterstützung in der neuesten
Reichsgesetzgebung. Nach Z 952 des B.G.B.'s sind dingliche Rechte an Urkunden,
„kraft deren eine Leistung gefordert werden kann,", nicht mehr denkbar, sofern sie
nicht gleichzeitig auch an der in der Urkunde verbrieften Forderung bestehen. Die

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