Beitrag zur Lehre von den Familienfideicommiffen. 207
lich vollständige und unzweifelhafte Bestimmungen enthält, sondern
weil der Richter, der von der Meinung der Juristen sich nicht soll
bestimmen lassen, und der sich hier auch nicht auf Gesetze berufen
kann, nichts Anderes hat, woran er sich halten könnte. — Oder man
möchte fast glauben, der Verfasser der Entscheidungsgründe sei sich
-über diese Verschiedenheit, über die ganz andere Anordnung, welche
der Urteilsbegründung in dem einen und in dem anderen Fall hätte
gegeben werden müssen, selbst nicht klar geworden, indem er seine
vorangestellte Behauptung, daß der Richter sich lediglich auf die Ur-
kunde verwiesen sehe, dadurch weiter zu begründen sucht, daß wenn
es auch richtig wäre, daß die Präsumtion gegen cognatische Fami-
lienfideicommisse streite, dieß doch für den vorliegenden Fall nicht
ausreichen würde. Hier scheint es nämlich, daß den sog. Meinungen
der Juristen doch einiges Gewicht beigelegt werden könnte, wenn sie
nur richtig und wenn sie ausreichend sind. Hätte hier nun derUr-
theilsverfasser seine Ansicht aussprechen wollen, ob er jene Vermu-
thung für irrig halte, und hätte er dieß begründen mögen, so würde
dadurch dem Erkenntniß eine fast alle Gegengründe vernichtende
Stütze gegeben worden sein. Es zeigt aber ein arges Verkennen
der Sache, wenn er gemeint hat, jene Rechtsfrage, als hier ganz in-
different, zur Seite schieben zu können; denn eben jene Gründe,
welche dem Richter verbieten, das Fideicommiß auf die weibli-
chen Nachkommen übergehen zu lassen, wenn sie nicht mit entschie-
dener Bestimmtheit von dem Gründer desselben berufen worden sind,
gebieten ihm auch jede Fortdauer des Fideikommisses über das Vor-
handensein des Mannsstammes hinaus, als eine Jmproprietät, stricte
zu interpretiren. Auch der preußische Richter wird sich namentlich
an diese Regel zu halten haben, denn das Landrecht (II. 4. 8. 459.
489) geht von der Regel aus, daß Familienfideicommisse nach Ab-
gang des Mannsstammes erlöschen, und das Publikationspatent
(8. IX.) verordnet, daß „insofern nach Publikation des Landrechts aus
einer ältern Handlung oder Begebenheit Processe entstehen, und die
damals vorhandenen, auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Ge-
setze dunkel und zweifelhaft sind, so daß bisher über den Sinn und
die Anwendbarkeit derselben verschiedene Meinungen in den Gerichts-
höfen stattgefundeu haben, derjenigen Meinung der Vorzug gegeben
werden soll, welche mit den Vorschriften des Lnndrechtö überein-
stimmt oder derselbe« am nächste« kömmt." Sehr mit Umecht hat