Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 12 (1848))

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Wilda:

heit dargelegt hat, daß dem Richter dadurch eine sichere Grundlage
für seine Entscheidung gegeben ist. Wenn dieses aber nicht der Fall ist,
wenn gewisse Punkte entweder ganz unbestimmt gelassen, oder wenn die
Fassung der Urkunde verschiedene Deutung zuläßt, wird sich der Rich-
ter wohl nach anderen Normen umsehen müssen, wenn nicht subjek-
tives Meinen oder souveränes Fürgutfinden den Urtheilsspruch bil-
den sollen. Woher aber — und selbst bei der größten Unvollstän-
digkeit einer Urkunde — nach den in dem Urtheil ausgesprochenen
Grundsätzen eine solche Entscheidung nehmen? „Gesetzliche Vorschrif-
ten über die Succession in Familienfideicommisse gibt es auf dem
Gebiet des gemeinen deutschen Rechts nicht, und auch „die Mei-
nungen der Juristen" können für den Richter kein entscheidendes Ge-
wicht haben." Es ist unschwer zu erkennen, daß dem Verfasser der
Entscheidungsgründe hier der §. 6. der Einleitung in das Preußische
^andrecht vorgeschwebt20), daß er aber von demselben eine höchst
unglückliche Anwendnng gemacht hat. Dem deutschen Privatrecht,
all' unserer Arbeit, unserem Mühen und Forschen, soweit sie nicht
auf Herbeiführung eines allgemein deutschen Rechts, sondern auch zu-
nächst aus Ergründung, Feststellung des vorhandenen überkommenen
Rechtes gerichtet sind, ist damit für die preußische Rechtepraris wenig-
stens der Stab gebrochen. Und es steht zu befürchten, daß Sätze
von solcher Bequemlichkeit nur allzuleicht, wenn es auch nicht be-
reits geschehen sein sollte, sich Eingang verschaffen möchten, zumal
wenn sie in den Entscheidungen des höchsten Gerichtshofs Platz grei-
fen möchten. Es dürften aber doch wohl wenige Erkenntnisse von
demselben ausgehen, welche durch so vage allgemeine Sätze jedes
Eingehen auf wissenschaftliche Erörterung zu umgehen suchen, und
so sehr, jeder scharfen Schlußfolgerung ermangelnd, auf einer durch-
aus falschen Grundlage beruhen. Denn die Urkunde wird nicht so-
wohl deßhalb für die Entscheidungsnorm erklärt, weil sie hinläng-

26) Preuß. Landrecht Einl. §. 6. „Auf Meinungen der Rechtslehrer
oder älterer Aussprüche der Richter, soll bei künftigen Entscheidun-
gen keine Rücksicht genommen werden." Vergl. Bornemann,
preuß. Civilrecht Bd. !. S. 37. Es kann der Satz jedenfalls nur
auf die nach den Grundsätzen des preußischen Landrechts, welches
die früheren Contrvversen abthun sollte, zu entscheidenden Streitig-
keiten sich beziehen.

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