Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 13 (1903))

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Fuld, Fabrik und Werkstätte.

betriebs und Fabrikbegriffs abhängig ist, sind weitergehende als die Begriffs-
merkmale für die Werkstätte im Sinne der Verordnung von 1897. Es ist
daher vollständig unmöglich, einen Konfektionsbetrieb, der sich noch nicht
einmal als Werkstätte inhaltlich dieser Verordnung darstellt, gleichwohl
als Fabrik auszusassen; die Unmöglichkeit beruht nicht auf willkürlichen
Bestimmungen des geltenden Rechts, sondern auf logischen Gründen,
welche ihrerseits aus der Abgrenzung der beiden Begriffe zu- und gegen-
einander folgen.
Die Verordnung des Bundesrats vom 31. Mai 1897 bestimmt nun,
daß die obengen'annten Paragraphen der Gewerbeordnung mit gewissen
Modifikationen, deren erschöpfende Aufzählung hier nicht erforderlich er-
scheint, anwendbar sein sollen aus Werkstätten, in welchen die Anfertigung
und Bearbeitung von Männer- und Knabenkleidern, Frauen- und Kinder-
kleidung (Mäntel, Kleider, Umhänge rc.) im großen erfolgt. Theorie und
Praxis sind ziemlich einig darüber, daß die Worte „im großen" das
Unterscheidungsmerkmal abgeben zwischen der Werkstätte, in der nur mit
Beschränkung gearbeitet werden darf und der Werkstätte, die solchen Be-
schränkungen nicht unterliegt. Unter der Anfertigung im großen ist aber
das gleiche zu verstehen, wie unter der Anfertigung in Massen; es steht
die Anfertigung im großen in direktem Gegensatz zu der Anfertigung auf
Bestellung, für den Einzelsall, zu der Anfertigung nach Maß, mag
immerhin letztere einen bedeutenden Umfang besitzen und mögen die Be-
stellungen auch noch so zahlreich sein. Der Umfang eines Konfektions-
geschäfts ist daher mit Nichten ein Beweis dafür, daß dasselbe als Werk-
stätte zu betrachten ist, in welcher die Anfertigung im großen erfolgt.
Ein flott beschäftigtes Maßgeschäst, eine Damenschneiderei, welche zu gleicher
Zeit Hunderte von Kostümen und Anzügen herstellt, fällt trotzdem nicht
unter die Verordnung, wenn diese Anfertigung auf persönliche Bestellung
und nach Matz geschieht, wenn also jedes sertiggestellte Kostüm und
Kleidungsstück einen individuellen Charakter hat. Bei der Anfertigung im
großen, bei der Herstellung in Massen wird vorausgesetzt, daß gleichartige
Gegenstände in derselben Weise hergestellt werden, das individuelle Mo-
ment fehlt hierbei vollständig. Mit vollem Recht verwendet die neueste
Rechtsprechung diesen Gegensatz zwischen der massenhaften Herstellung
gleichartiger Dinge und der Herstellung von Gegenständen, die einen in-
dividuellen Charakter haben, bei der Entscheidung dieser Frage. Berück-
sichtigt man denselben, so sind unrichtige Entscheidungen weit seltener
möglich als bei der Verwertung des Gesichtspunkts, ob auf Vorrat ge-
arbeitet wird oder nicht. Auch in einem Maßgeschäft oder einem Damen-
kostümatelier werden mitunter Gegenstände hergestellt, welche nicht bestellt
sind, Modelle, die den Kunden bei der Bestellung als Muster dienen sollen

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