Volltext: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 13 (1903))

Müller, Das Erlöschen der Prozeßvollmacht. 155
Rechtsstreit und Anerkenntnis. Auch hier hatte nach den Motiven zu
dieser Bestimmung die Erwägung geführt, daß die bezeichneten Handlungen
in außergewöhnlicher Weise die Aufhebung des Prozesses bewirkten und
deshalb eine Spezialvollmacht erforderlich sei. Die vom Norddeutschen
Bund eingesetzte Kommission schloß sich dieser Ansicht gleichfalls an, be-
seitigte nur den Verzicht auf die Eidesleistung.' Der I. Entwurf — und
ihm folgten hierin unverändert der II. und III. und das Gesetz selbst —
schaffte sodann, für den Anwaltsprozeß wenigstens, das Institut der
Spezialvollmacht gänzlich ab, nahm deshalb die Ermächtigung zu Verzicht,
Vergleich und Anerkenntnis in die Prozeßvollmacht auf.(§ 75) und trug
dem Bedenken, daß diese Handlungen den Prozeß auf außergewöhnliche
Art beendeten und eine solche Beendigung vom Vollmachtgeber möglicher-
weise nicht beabsichtigt werde, dadurch Rechnung, daß er in 8 77 (ent-
sprechend dem jetzigen 8 83) die Beschränkung des Umfanges der Vollmacht
bezüglich dieser Handlungen zuließ. Nach den Motiven zum I. Entwurf
(S. 103 ff.) „liegt die Einräumung dieser Befugniffe (zum Verzicht rc.) in
der Konsequenz der Dispositionsrechte des Bevollmächtigten im Prozeß".
Damit ist meines Erachtens unzweideutig ausgesprochen, daß die Vornahme
dieser Handlungen durch den Bevollmächtigten sich aus dem Begriff der
Prozeßvollmacht notwendig ergibt, also Vornahme von Prozeßhandlungen
ist. Daß diese Handlungen trotzdem noch besonders aufgesührt sind, er-
klärt sich zur Genüge daraus, daß man die im Lause der Vorarbeiten über
diesen Punkt aufgetauchte.Frage endgültig entscheiden wollte.
Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes liefert also keinen Anhalt da-
für, daß Verzicht, Vergleich und Anerkenntnis nicht Prozeßhandlungen seien,
sie spricht vielmehr gegen diese Annahme. Aber auch positive gesetzliche
Vorschriften lassen dieses Ergebnis als allein richtig erscheinen. Denn
wenn 8 85 sagt, daß „die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen
Prozeßhandlungen für die Partei in gleicher Art verpflichtend sind, als
wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären", so muß man hier
doch unter den „Prozeßhandlungen" zweifellos auch Vergleich, Verzicht und
Anerkenntnis mit verstehen. Da ferner die Vornahme dieser Handlungen
unmittelbar die prozessualen Wirkungen der 88 300, 307, 794 Nr. 1 äußert,
so ist auch hieraus zu schließen, daß es prozessuale Handlungen sein müssen.
Die Frage, ob der besonderen Erwähnung von Vergleich, Verzicht und
Anerkenntnis in § 81 der C.P.O. auch eine besondere Bedeutung für den
rechtlichen Charakter dieser Handlungen zukommt, ist erst neuerdings wieder
Gegenstand lebhafter Erörterungen geworden, und zwar im Anschluß an
eine Ausführung Plancks in seinem Kommentar zum Bürgerlichen Ge-
setzbuch. Planck behauptet nämlich (in Note 1 zu 8 388), daß die Prozeß-

' Norddeutsche Protokolle S. 208 ff.

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