Volltext: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 13 (1903))

Müller, Das Erlöschen der Prozeßvollmacht. 153
Endlich sei noch bemerkt, daß die Prozeßvollmacht auch die Ermäch-
tigung in sich schließt, gemäß § 514 der C.P.O. auf das Recht der Berufung
zu verzichten? Denn dieser Verzicht ist eine von der Prozeßordnung ge-
regelte Verfügung über ein prozessuales Recht und deshalb als Prozeß-
handlung anzusehen. Der Verzicht kann erklärt werden nach der Erlassung,
d. h. Verkündung des Urteils, aber noch vor dessen Zustellung, also vor
der Beendigung der Instanz, aber ebenso auch erst nach der Zustellung.
Nach der Ansicht des Reichsgerichts könnte der Bevollmächtigte zwar im
ersteren, nicht dagegen im letzteren Falle den Verzicht erklären. Warum
aber die beiden, von 8 514 gleichmäßig umfaßten Fälle verschieden be-
handelt werden sollten, ist nicht einzusehen. Im letzteren Falle müßte viel-
leicht gar bei konsequenter Durchführung jener Meinung ein Bevollmächtigter,
der bei dem Berufungsgericht zugelassen ist, bestellt werden, um zu erklären,
daß das Berufungsgericht nicht mit der Sache befaßt werden soll! Auch
§ 514 spricht also für die Fortdauer der Vollmacht selbst über das Ende
der Instanz hinaus.
II.
Besonderer Betrachtung bedarf die in 8 81 dem Prozeßbevollmäch-
tigten beigelegte Befugnis zur Bestellung eines Bevollmächtigten für die
höheren Instanzen.. Das Reichsgericht erblickt in diesem Recht, das in den
meisten Fällen wohl erst nach der Beendigung der Instanz ausgeübt wird,
kein Hindernis für seine Auffassung, da diese Substitution nicht als Prozeß-
handlung zu betrachten sei. Dies folge daraus, daß in 8 81 die Ermäch-
tigung zur Bestellung eines Vertreters, sowie eines Bevollmächtigten für
die höheren Instanzen, zur Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich,
Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem
Gegner geltend gemachten Anspruchs, und zur Empfangnahme der von dem
Gegner zu erstattenden Kosten gesondert aufgesührt sei neben der Ermäch-
tigung zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen und daß
durch diese Fassung der Gegensatz zwischen den zuerst genannten Rechts-
handlungen und den Prozeßhandlungen zum Ausdruck gebracht worden sei.
Die Prüfung der damit aufgeworfenen Frage, welche Bedeutung dem Wort-
laut des 8 81 für seine Auslegung beizumeffen ist, führt naturgemäß zu
einer Betrachtung seiner Entstehungsgeschichte.
Der ursprüngliche Hannöversche Entwurf enthielt in 8 108 Abs. 1
eine der heutigen Begriffsbestimmung der Prozeßvollmacht analoge Vor-
schrift, daß die Vollmacht zur Vornahme aller Prozeßhandlungen ermächtige.
In Abs. 1 war hinzugefügt: „Sie (die Vollmacht) ermächtigt insbesondere
zu Handlungen, durch welche ein anhängiger Rechtsstreit ganz oder teil-

1 Vergl. GauPp-Stein, 4. Aufl., zu § 514 Sinnt. IV.

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