Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 15 (1855))

Die Ehrverletzung nach deutschem Rechte. 381
der Fall war, sicherte dann allerdings den Vollzug der Gesetze Ln
vielen Fällen, und unfehlbar haben es die Obrigkeiten halbwegs
bedeutender Städte nicht daran fehlen lassen, soweit es nur immer
thunlich war, in dieser Richtung direkten und indirekten Zwang
auf den Beleidigten auszuüben. Denn freilich waren sie sehr
direkt dabei interessirt, da die Mißhandlung mit Worten natürlich
sofort meist zur Mißhandlung mit Werken, zur Fehde, zum Auf-
lauf und den ärgerlichsten Auftritten führte. Ebendeßhalb hängt
auch die statutarische Injuriengesetzgebung in der Regel ganz genau
mit der über Verwundung und Todtschlag, Heimsuchung, Kopulei u.s.f.
zusammen, und die Injurie erscheint so oft eben nur als die obligate
Veranlassung zu Fehden und anderweitigen Friedensbrüchen aufge-
saßt. Ja, blickt man auf die Menge der statutarischen Bestimmun-
gen über Bestrafung wörtlicher und thätlicher Beleidigungen nach
eingetretener Friedensbietung und Gelobung, so sollte man fast
glauben, die statutarische Gesetzgebung habe gerade nur hierin ihren
wahren Schwerpunkt gesucht und ihre wahre praktische Realität
gefunden.
Verhalte es sich indessen hiemit wie es wolle, so ist doch jeden-
falls die statutarische Gesetzgebung, wie sie oben durch Beispiele
dargestellt wurde, nur eben für die mittleren und niederen Stände
berechnet gewesen, nicht aber für die höheren. Für diese ist ohne
Zweifel im Felde der Injurien ganz besonders das Strafrecht
völlig in der Form des mittelalterlichen Fehderechts aufgegangen.
Dabei ist nicht zu vergessen, daß das Ritterthum trotz mannigfacher
Abwehr sich vielfältig auch in das städtische sieben hineinverzweigte.
Man wird daher nicht irren, wenn man sich neben dem gesetzlichen
Rechte über Bestrafung der Injurien eine ständische Rechtssitte her-
gehend denkt, welche lediglich in der Fehde und späterhin in gere-
geltem Zweikampf die angemessene Weise der Genugthuung erblickte.
Zwar ist schon oben bemerkt worden, wie auch Ln städtischen Rech-
ten das Bestreben sichtbar ist, den Ansprüchen höherer Stände durch
stärkere Strafmittel gerecht zu werden. Allein damit mochte man
wohl die brutale Selbsthilfe eines Vornehmeren oder Mächtigeren
gegenüber einem armen Teufel abhalten; der standesmäßigen Be-
handlung einer Ehrensache zwischen Ebenbürtigen dagegen wurde
dadurch schwerlich vorgebeugt. Ebensowenig war die gesetzliche
Beschränkung des gerichtlichen Zweikampfs als Beweismittels auf

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