Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 15 (1855))

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Köstlin:
Die fraglichen Satisfaktionsmittel waren aber namentlich für die
Städte fast unentbehrlich, da sie überall bestrebt waren, den gericht-
lichen Zweikampf zu verbannen8l).
Nur freilich ist eben hier der Punkt, auf welchem man sich
die Gesetzgebung als unfehlbar theilweise unpraktisch denken muß.
Selbst die strengeren Jnjuriengesetze der Städte kamen ohne Zwei-
fel häufig nicht zum Vollzug, weil der Beleidigte die gesetzliche
Genugthuung verschmähte und es vorzog, sich auf eigne Hand Sa-
tisfaktion zu verschaffen. Klar genug wird dieß indirekt aus der
ängstlichen Fürsorge, welche man die Städte so oft auf die Befrie-
digung des Beleidigten nehmen sieht. So oft erklärt der Rath,
daß seine Wette der Buße an den Kläger nachstehen soll. So oft
wird vor Allem nur dafür gesorgt, den Beleidiger dem Beleidigten
aus den Augen zu schaffen, und er soll nicht eher zurückkchren
dürfen, als bis er den Kläger genügend versöhnt hat. Ueber diese
Versöhnung wird mit dem Kläger von Amtswegen unterhandelt;
es wird ihm öffentliche Ehrenerklärung, ja wohl Widerruf in
demüthigender Form garantirt, und die Obrigkeit verspricht den,
welcher sich des Widerrufs weigert, „für einen schädlichen Mann
zu halten." Einzelne Rechte (s. unt.) wenden sogar auf die Privat-
verläumdung die Strafe der Talion an.
Aus allem dem hört sich aber die Verlegenheit der Gesetzge-
bung deutlich genug heraus. Faktisch kam es wohl in der Regel
eben nur auf den guten Willen des Beleidigten an, ob er sich mit
der gesetzlichen Genugthuung begnügen wollte, resp. auf seine ge-
sellschaftliche Stellung, ob sie ihm gestattete, sich über die gesetzliche
Ordnung hinwegzusetzen. Daß dieß ohne Zweitel sehr häufig nicht

81) s. übrigens noch das älteste Recht von Straßburg Art. 35 (Gaupp 1.56).
Die magdeb. Rechte hegten ihn gleichfalls noch lange; freilich war er
aber hier, wie im Sachs. Sp. und andern Quellen nicht für Inju-
rien berechnet. ^.Ibreobt I). I. ätz probationibus sec. j. germ. med.
am §. 21. p. 45 seq. vgl. dagegen Soest. Stat. 1120. Art. 41
(Seibertz I. 54) Schrae Art. 117. Ruprecht II. 110. Stad. Stat.
1209. Brem. Stat. 1259 bei Puffendorf Obs. II. app. p. 156.
159. Kaiserr.II.69. Keure von Grammont "/,2. Iahrh. Art. 3.
(Warnk.II.2. S.164). K. v.Waes 1241. Art. 29 (eb.182). Brün-
ner Schöffensatzung Art. 185 (Rößler S. 389). Frankfurt. Recht
1297. Art. 3 (Böhmer S. 304) u. s. f.

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