Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 15 (1855))

Die Ehrverletzung nach deutschem Rechte. 873
mischen zwischen injuria atrox und levis zusammen, den das deut-
sche Recht (s. u.) gleichfalls ausgebildet hat. Denn dieser ist ein
quantitativer, der fragliche aber ein qualitativer, den das römische
Recht bei seiner Auffassung der existimatio gar nicht kennen konnte.
Die „schlichten Scheltworte" gelten nach deutschem Rechte gar nicht
für wahre Ehrverletzungen. Sie werden mit andern geringen Fre-
veln (misseKanäclinZcn, sdilicdtem sülffwold etc.) zusammengestellt
und zwar an sich für bußwürdig erachtet, der wahren Ehrverle-
tzung aber Ln bestimmter Weise entgegengesetzt. Wo sie als Produkte
eines nicht geflissentlich aufgesuchten Haders erscheinen, werden sie
hie und da als ganz straflos prädizirt **). Wo sie aber als straf-
bar (Buße und Wette) behandelt werden, da geschieht es zwar
auch im bloßen PrivatverhältnisseM), dann aber nur unter der

Gera. Etat. 1487 Art. 6 j. 7 (schnauzende, unzüchtige, schmählige
Worte) bei Walch II. 96. 97. Etat, von Frankenhausen 1558
IV. 1. 69 schlechte Worte, die beschwerlich und doch keine Injurien
seind; Schelten, das Ehre und Leumund nicht anrührt (eb. 1.331.361).
Hamb. Stat. 1270. IX. 1,2. 1292. M. 1,2. 1497- M. 3,2. Lüb.
Recht C. Brok. III. 394, 2. Nordh. Stat. 1308 Art. 26. 27
(Förstern. III. 2. S. 9). Ofner Stadtr. Art. 254. Oeffn. von
Neukilch 1330 (Schelten — an Ehr und Eid reden. Grimm I.
297). Oeffn. von Lags 1303 (eb. I. 813). s. noch ganz bes. das
Mörfelder Centweisthum, welches vier Stufen aufführt: a) verwe-
gene, böse Worte, welche doch nicht schmächlich sind — schlechte Buße,
b) wer den Andern für dem höchsten Gericht Lügen strafet oder an-
- dere verkehrte und ungebührliche Worte giebet — Frevelbuße, c) wer
dem Andern schmäheliche Worte gäbe und schelten würde, als ein Mör-
der, Dieb u. dgl. ehrenrührige Wort, oder wer einen um Rügens wil-
len schwerlich mit Worten antastet, — die höchste Buße, ä) wer Schult-
heiffen, Schöffen, deßgleichen die Beamten ihres Amts willen an Eh-
ren schmähet oder verletzet, — steht an des Herren Gnade (Grimm I.
488 — 490).
44) L. Alam. add. XXI. Nordhäus. Stat. 1300 Art. 166 j. 167
(Förstemann III. 1. S. 66).
45) Nordh. Stat. a. a. O. 1308 Art. 27 (hier ist sogar Gefänguiß von
14 Tagen vorgeschrieben). Gosl. Stat. a. a. O. Memminger
Stadtr. bei Freyberg V. 277. Stadtr. von Diefsenhofen
Art. 52.

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