Full text: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft (Bd. 15 (1855))

Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels. 123
Ob dieser von den Landleuten gekorne Gograf auch über die
handhafte That anderer Leute, als Landfaßen, auch über Pfieg-
hafte und Schvffenbare richten durfte, läßt sich aus dem Sachsen-
spiegel nicht beantworten. Wenn auch faktisch nicht leicht die Land-
leute es werden gewagt haben, über einen Schvffenbarfreien in
kürzestem Prozeß zu urtheilen, so wäre aus allgemeinen Gründen
die Frage wohl zu bejahen. Denn wenn der Schultheiß oder Graf
nicht zu finden gewesen wäre, so hätte man in diesem Fall das rasche
Verfahren nicht anwenden können. Auch in andern Beziehungen
fetzte man ja bei der handhaften That die sonstigen Regeln des
Prozesses außer Augen und es wurde das niedere Gericht cvm-
petent,ü8). Während an und für sich das Dingen an gebundenen
Tagen verboten ist, d. h. kein förmlicher Gerichtstag auf diese Zeit
verlegt werden darf (II. 10. §. 1. §. 5. II. 11. g. 4. III. 61. §. 1),
so darf mt ihnen doch das Urtheil in Handhafter That gesprochen
werden (II. 10. §. 1.3.4. II. 66. §. 2. III. 9. 8.2), mrd der Baner-
meister kann ausnahmsweise bei kleinen Verbrechen zu Handhafter
That richten.
Da das Gericht dieses gekornen Gografen in der Literatur

eynen richter an syne stat umme hanthaftige myssethat. II. 26:
En ist der schultheysse do heyme nicht, geschyt eyn ungevuge so
setzt man eynen andirn richter vor eyne hanthaftige tat. So auch
da« Magdeb. R. a. 1304. art. 13: es handelt sich hier um Nothzucht und
Heimsuchung: vernachtit aber diser sache dicheiner, so richtet iz
der burcgrave und anderes niemant. Woraus durch ein argumentum
a contrario folgt, daß bei handhafter That auch andere Richter kom-
petent sind. Vgl. auch art. 17 und Riedel, d. Mark. Brandend. II.
S. 532 f. — DaS Görlitzer Landr. 41. §. 10 scheint das Recht dar-
auf zu beschränken, daß ein fremder Richter in die Stelle gewählt
wird: Of die lantliute den gravin von einer stat zo eime gravin
kiesin u. s. w. — Nur beiläufig erwähne ich noch als einen Fall, in
welchem ein besonderer Richter erwählt wird, daß wenn der Sohn des
Richters beklagt wird, jurati pro eodem homicidio judicem eligant.
(Brünner Stadtr. §. 50. Koessler p. 28 )
108) Lacomblet, Archiv I. S. 255. — In dem Hofrecht zu Bettinghausen
bei Soest (Grimm, Weisthümer III. 877) heißt es von dem Gericht
daselbst: dar sal men alle saken richten, sunder overnechtig unge-
richte, und bloe und blae.

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