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Schiedsspruch; Zustellung und Niederlegung bei Gericht.
Ob eine Ertheilung des in Rede stehenden Auftrags schon darin gefunden
werden dürfe, daß, wie die von U. bei seiner Abhörung beigebrachte Niederschrift
ergiebt, demselben bei einer Verhandlung vom 22! Oktober 1888 von . den zwei
anderen Schiedsrichtern im Allgemeinen die weitere Leitung des schiedsgerichtlichen
Verfahrens übertragen worden ist, kann dahin gestellt bleiben. Denn die Annahme,
daß das besagte Auftragsverhältniß bestanden habe, und auch mit Rücksicht auf
dasselbe U. so, wie geschehen, vorgegangen sei, wird jedenfalls durch die nach-
stehende Erwägung begründet. Nach dem Zeugnisse U.'s hat dieser im Juli 1890
die Ausfertigungen des Schiedsspruchs den Mitschiedsrichtern P. und R. zur
Unterschrift zugesendet, dabei denselben schriftlich mitgetheilt, daß er in Betreff der
Zustellung und der Niederlegung des Schiedsspruchs die gesetzlichen Formalien
erledigen wolle, darauf die Ausfertigungen unterschrieben zurückerhalten, ohne daß
dieser Mittheilung gegenüber ein Widerspruch erhoben worden wäre; er hat nun-
mehr das Einverständniß P.'s und R.'s damit, daß er die Zustellung betreibe
und die Niederlegung bewirke, angenommen und in Folge dessen sowohl den
Gerichtsvollzieher mit der Zustellung des Schiedsspruchs betraut als auch den
letzteren selbst auf der Gerichtsschreiberei des Landgerichts Bautzen niedergelegt.
Aus diesen Angaben U.'s, in deren Wahrheit Zweifel zu setzen nicht der geringste
Anlaß vorliegt, geht zuvörderst mit völliger Gewißheit hervor, daß U. in der
That sich für den Beauftragten seiner Mitschiedsrichter gebalten und als solcher
bei dem Betriebe der Zustellung und bei der Niederlegung des Schiedsspruchs mit
zu handeln den Willen gehabt hat. Es muß aber weiter die Auffassung, welcher
nach dem soeben Bemerkten U. sich hingab, auch als thatsächlich zutreffend an-
erkannt werden. Allerdings enthalten die vorgedachten Angaben U.'s nicht die
Bezugnahme auf eine ausdrückliche Auftragsertheilung. Allein eine Willens-
erklärung kann nicht bloß ausdrücklich durch mündlich oder schriftlich ausgesprochene
Worte, sondern auch stillschweigend durch Handlungen oder^ Aeußerungen, die
mit Sicherheit auf die Willenserklärung schließen lassen, kundgegeben werden
(§ 98 des B.G.B.). Eine Kundgebung dieser Art hat aber im vorliegenden
Falle stattgefunden. Aus der erwähnten schriftlichen Mittheilung U.'s mußten P.
und R. ersehen, daß dieser bereit war, die Zustellung und, die Niederlegung des
Schiedsspruchs für sie, die anderen beiden Schiedsrichter, mit zu besorgen. Nun
würde eS freilich bedenklich fallen, daraus allein, daß die Letzteren sich über diese-
Anerbieten ausgeschwiegen haben, ihr Einverständniß mit dessen Inhalte abzuleiten.
Denn das bloße Stillschweigen zu der Handlung oder Erklärung eines Anderen
kann in der Regel als Zustimmung nicht betrachtet werden. Diese Regel erleidet
indeß eine in der Natur der Sache begründete Ausnahme, wenn zu dem Still-
schweigen eine Thatsache hinzutritt, welche eine ausdrückliche Willenserklärung unter
dem Gesichtspunkte der Verwahrung gegen eine sonst aus dieser Thatsache zu ent-
nehmende entgegengesetzte Absicht erforderlich macht. Eine solche Thatsache liegt