Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 2 (1892))

Klage eines Einzelkaufmanns unter seiner Firma. Wechselprotest, Auslegung. 21
worden ist, darf nach der Fassung des angefochtenen Urtheils angenommen werden,
daß dem Prozeßgerichte der ersten Instanz die einschlagenden Firmenverhältnisse
bekannt gewesen seien.
II. Der Einwand gegen die Zulänglichkeit des Protestes kann ebenfalls
keine Beachtung finden. Es trifft allerdings zu, daß in demselben nicht aus-
drücklich bemerkt worden ist, es sei der Protest — wie nach dem zutreffenden
Nachweise der vorigen Instanz zu geschehen hatte — an der im Wechsel angege-
benen Zahlstelle, bei M. N. in Leipzig, gegen die Acceptantin Alma Sch.
erhoben worden, nachdem der protestirende Notar dieselbe dort nicht angetroffen
habe. Doch ist auch, wie. bereits die vorige Instanz mit Recht bemerkt hat, in
Art 88 Ziff. 2 der W.O. eine Vorschrift des Inhalts, daß eine ausdrückliche
Bemerkung dieser Art in dem Proteste zu finden sein müsse, nicht gegeben. Es
genügt, wenn das Vorhandensein der vom Gesetze für wesentlich erklärten That-
sachen sich mit ausreichender Bestimmtheit aus dem Zusammenhänge des in dem
Proteste Beurkundeten ergiebt,
vergl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen, Bd.XIV, S. 147,
Bd. XXHI, S. 121,
und dies ist bei dem vorliegenden Proteste der Fall.
Einerseits schließt die Bemerkung des Notars im Proteste, daß er den Wechsel
dem — von ihm als Domiciliat bezeichnetcn und dem Anscheine nach für einen
solchen gehaltenen — M. N. zur Zahlung habe vorlegen wollen, die Annahme
nicht aus, daß er, was nach Obigem korrekt war, damals auch von der Accep-
tantin Zahlung zu verlangen, wenn nicht gleich von vorn herein, so doch im Ver-
laufe des Protestaktes beabsichtigt habe. Andererseits liegt ein direkter Anhalt
dafür, daß er diese Absicht gehegt und auch bethätigt habe, in der Aufnahme der
Bemerkung in den Protest, daß die „allein gegenwärtig getroffene" Ehefrau N.'s
auf Vorlegen des Wechsels zur Zahlung (unter anderen) erklärt habe: „die Accep-
tantin des Wechsels sei nicht gegenwärtig." Diese Erklärung berechtigt nach Lage
der Umstände zu dem Schluffe, daß sie durch die vorherige Nachfrage des Notars
nach der Acceptantin hervorgerufen worden sei, und als der Nächstliegende Grund
für diese Nachfrage bietet sich die Absicht des Notars dar, die Zahlung des Wech-
sels, auf deren Erlangung der ganze Protestakt von vorn herein gerichtet war,
auch von der Acceptantin, wenn sie gegenwärtig sei, zu fordern. Darf aber diese
Absicht des Notars aus dem Proteste entnommen werden, so ist auch die weitere
Annahme berechtigt, daß der Notar auch den am Schluffe der Urkunde bezeugten
Protest wegen nicht verlangter Zahlung in dem Sinne gemeint habe, daß er zu-
gleich gegen die Acceptantin gerichtet sei.
Diese Auslegung der Protesturkunde hält sich in den Schranken, welche sich
aus der Eigenschaft des Protestes als eines Solennitätsaktes, insbesondere auch
hinsichtlich der Beobachtung der Vorschrift in Ziffer 2 des Artikel 88 der Wechsel-
ordnung, ergeben.

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