Full text: Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß (Bd. 8 (1898))

140 Börner, Der Allgemeine Theil des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
die, wie das Anfechtungsrecht, das Kündigungsrecht, das Wahlrecht, das Rück-
trittsrecht u. s. w., nicht Ansprüche sind. Aber auch einzelne Ansprüche sind einer
Ausschlußfrist unterworfen. Während die Verjährung eine an den Anspruch von
außen herantretende entkräftende Thatfache ist, wird bei der Ausschlußfrist dem
Rechte von vornherein eine gemessene innere Daseinsgrenze gesetzt, mit deren Er-
reichung das Recht in Folge mangelnder weiterer Lebenskraft erlischt. Es leuchtet
ohne Weiteres ein, daß die Ausschlußfrist schärfer wirkt, als die Verjährung.
Da giebt es, soweit nicht etwas besonderes bestimmt ist*), keine Hemmung, keine
Unterbrechung. Der Ablauf der Ausschlußfrist gewährt auch nicht blos eine civil-
rcchtliche Einrede, sondern vernichtet das Recht. Die scharfe Scheidung zwischen
Verjährung und Ausschlußfrist gehört verhältnißmäßig neuerer Zeit an.
Der sechste Abschnitt „Ausübung der Rechte, Selbstvertheidigung, Selbst-
hülfe" stellt im § 226 den höchst moralischen Satz an die Spitze: „Die Aus-
übung eines Rechtes ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem
Anderen Schaden zuzufügen" (zu vergl. dazu 8 826; sächs. G.B. 8 118). Ich
besorge, daß diese auf ein Chikaneverbot hinauslaufende Vorschrift nicht den
Erfolg haben wird, den ihre Väter sich von ihr versprechen. Es mag ja hier
und da Vorkommen, daß Jemand sein Recht ausübt, um damit zugleich einem
Anderen zu schaden. Das genügt aber zur Anwendung der Vorschrift nicht.
Hierzu ist erforderlich, daß die Ausübung nur den Zweck hat, einem Anderen
schaden. Der Beweis, daß eine solche Rechtsausübung vorliegt, wird überaus
schwer zu führen sein. Dagegen besteht die Gefahr, daß künftig die redliche Aus-
übung eines Rechtes auf den Einwand stößt, sie geschehe zur Chikane. Für den
in der Wahl seiner Vertheidigungsmittel nicht bedenklichen Verpflichteten bietet der
Einwand ein bequemes Mittel, den Prozeß in die Länge zu ziehen. Mögen die-
jenigen nicht Recht behalten, die behaupten, das Chikaneverbot werde die Chikane
nicht nur nicht hindern, sondern sie befördern. Viel wird dabei abhängen
von der Stellung, die die Gerichte zu dieser ziemlich sentimentalen Anwandlung des
Gesetzgebers einnehmen.
Die Vorschriften über Selbstvertheidigung und S e l b st h ü l f e
(88 227 flg.) stimmen in der Hauptsache mit dem bisherigen Rechte (88 178—
180, 182, 183, 185)' überein. Die Vertheidigungsklage des Besitzers ist im
Sachenrechte (8 859) besonders geregelt; die Regelung verlangt bei der mittels
verbotener Eigenmacht erfolgten Besitzentziehung sofortige Wiederbemächtigung, mag
es sich um eine bewegliche Sache oder um ein Grundstück handeln (zu vergl. sächs.
G.B. 88 181, 212, 214). Neben der Nothwehr, deren Begriff für das bür-
gerliche Recht der gleiche wie für das Strafrecht ist (Z 227 Abs. 2; St.G.B. 8 53),
*) Vielfach für anwendbar erklärt sind die 88 203, 206, 207 des G.B.'s; zu vergl.
8 124 Abs. 2, 88 210, 212 Abs. 2, 8 215 Abs. 2, 88 602, 939, 1002 Abs. 2. 8 1339 Abs. 3,
§ 1571 Abs. 4, § 1594 Abs. 3, §8 1599, 1944 Abs. 2, g 1954 Abs. 2, 88 1M7, 2082 Abs. 2,
8 2283 Abs. 2.

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer