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Literatur.
das überlieferte Gewohnheitsrecht von der Regierung gar erst seit den
vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts.^ Freilich, wie spätere Äuße-
rungen von seiten der Regierung und namentlich die wiederum sorg-
fältig registrierte Praxis sowie die Rechtsprechung lehren, ohne Erfolg.
Erst neuestens haben Nichtgeltendmachung und Ablösung hier und da
Ausnahmen geschaffen. Im übrigen dauert hier zugunsten der katholi-
schen kirchlichen Einrichtungen wie anderwärts zugunsten evangelischer
die alte Verquickung weltlicher und kirchlicher Gemeinde noch fort.
Schon das Gesagte ergibt, daß Linneborns Buch über seinen
eigentlichen Gegenstand hinaus höchst beachtenswerte Ausführungen
enthält über das neuerdings namentlich von Johannes Niedner und
Alfred Schnitze viel erörterte Kapitel (Stadt-) Gemeinde und Kirche.
Und zwar auch für das Mittelalter. Denn dem bisher allein besprochenen
Hauptteil der Linnebornschen Untersuchung ist ein nicht minder
bedeutsamer anderer über die mittelalterliche Entwicklung voraus-
geschickt. Darin wird eine vortreffliche Geschichte des Kirchen-, na-
mentlich des Pfarrsystems im Bistum Paderborn geboten. Besonders
dankenswert sind die Nachweise über die Verbreitung des Eigenkirchen-
und später des Patronatswesens im Paderborner Sprengel, ferner was
über die Inkorporation und die Stellung der Bürgerschaften zu ihr bei-
gebracht wird. Natürlich sind auch alle diese Darlegungen unter dem
Gesichtspunkt der Baulastfrage gemacht und erklären uns auch dafür
manches, z. B. weshalb die Patrone im Paderbornschen regelmäßig nicht
baulastpflichtig sind, daß die Baulast hier nicht wie anderswo für Kirchen-
schiff, Chor und Turm geteilt ist, daß sie nicht auf dem Zehnt ruht, vor
allem, wie die Stadt- und Landgemeinden dazu gekommen sind, sie zu
übernehmen und bei Unvermögen der Kirchenfabrik zu tragen; vgl.
besonders S. 63 ff. über die Kirchen als Schutz- und Aufbewahrungs-
stellen für die Gemeindeglieder und ihre Habe. Doch sind hinsichtlich
der Kirchenbaupflicht die mittelalterlichen Quellen, wie der Verfasser
selbst hervorhebt, wenig ergiebig. Ob und inwiefern man von einer
Baupflicht des Eigenkirchenherren sprechen kann, und wie es in Wahr-
heit mit der Baulast bei den inkorporierten Kirchen gestanden hat,
läßt sich mit diesem Paderbornschen Material allein nicht klarlegen.
Um so verdienstlicher ist es, daß Linneborn die Paderborner Quellen
und seine genaue Kenntnis derselben auch für die oben erwähnten anderen
Gegenstände fruchtbar gemacht hat. Dadurch ist sein Buch über seine
diözesanrechtsgeschichtliche Aufgabe hinausgewachsen und zu einem
sehr wertvollen Beitrag zur Geschichte des deutschen Kirchenrechte«
überhaupt geworden.
Ulrich Stutz.