Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (8 (1918))

10.14. Koeniger, A. M., Brenz und der Send

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Literatur.

A. U. Koeniger, Brenz und der Send (Sonderabdruck aus
den Beiträgen zur Geschichte der Renaissance und Refor-
mation, Jos. Schlecht als Festgabe zum 60. Geburtstag
dargebracht. München 1917, S. 208—224).
In mustergültiger Weise unternimmt es Koeniger in dieser seiner
neuesten Studie zur Geschichte des Sends, die Lokalgeschichte zur Be-
leuchtung größerer Umwälzungen auf dem Gebiete der kirchlichen
Rechtshistorie zu verwerten und aus lokalen Einzelheiten große Ge-
sichtspunkte zu gewinnen. Es handelt sich um eine Erläuterung der
vom Unterzeichneten aus dem Codex Suevo-Hallensis wieder entdeckten
und in der Bibliographia Brentiana veröffentlichten Sendordnung für
die Landschaft von Schwäbisch-Hall, „ein Unikum in ihrer Art“. Koeniger
zeigt, daß dieser Versuch einer informatorischen Neubelebung des Send
der dritte von Brenz, der also auch hier wieder einmal als der Konser-
vative erscheint, unternommene ist, in der Mitte steht zwischen der
Kirchenordnung für die Stadt Hall 1526 und seinen 1531 eingereichten
Vorschlägen für Nürnberg-Ansbach und sachlich am reinsten die alten
Sendgedanken „mit allen Wesensbestandteilen und notwendigen Ein-
richtungen“ vertritt. Von einer formellen Abhängigkeit der Ordnung
von irgendeiner im Würzburgischen oder in der Haller Gegend selbst
gebräuchlichen katholischen Sendordnung wird nicht die Rede sein-
es handelt sich um die allgemeinen Züge des Sends, die Brenz aus
nächster Nähe (Speyerer, Wormser, Würzburger Diözesen, Hall) kannte.
Wenn Brenz schließlich (z. B. in der Württembergischen Kirchenord-
nung 1536) auf die Ideen vom Send verzichtete, so erklärt das Koe-
niger in Übereinstimmung mit dem Referenten (Archiv für Refor-
mationsgeschichte IX82f.) aus ihrer Inadäquatheit zum landesherr-
lichen Kirchenregiment. Die im Send verkörperten Gedanken einer
Bestrafung von durch das staatliche Recht nicht zu treffenden Ver-
gehen (sittlicher Art) haben in den landesherrlichen Polizeimandaten
um des Landfriedens willen ihre verweltlichte Realisierung gefun-
den; die kirchliche Sittenzucht hörte auf. Damit ist schon der
prinzipielle Gesichtspunkt gewonnen. In seiner Verfolgung stellt K.
noch fest, daß der Satz Haucks (Realenzykl. XVIII 3 8. 215 Z. 27), die
Sendgerichte hätten auf den evangelischen Gebieten durchweg auf-
gehört, nicht richtig ist, wie die von K. gebrachten Beispiele belegen.
Wenn dann K. auch die Meinung als unrichtig bekämpft, die öffentliche
Kirchenbuße sei etwa mit dem 12. Jahrhundert ganz verschwunden,
da sie vielmehr „als oft gebrauchtes Mittel der Kirchenzucht und des
kirchlichen Strafrechts bis ins 19. Jahrhundert fortlebte, ja, im späteren
Mittelalter von den weltlichen Gerichten als Strafart übernommen wurde“,
so wird ein Unterschied gemacht werden müssen zwischen poenitentia
publica im Sinne von öffentlichem Sündenbekenntnis (im Gegensatz
zur Privatbeichte) und im Sinne eines öffentlichen Abbüßens der Strafe.
Diese hat sich offenbar länger gehalten als jenes. So ganz „der geschwo-
rene Feind“ des Sends (8. 214) kann übrigens Luther doch nicht gewesen

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