Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (8 (1918))

Consuetudo legitime praescripta.

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durch die Ersitzung der letzteren erzeugt werden. Erst
im Laufe der Zeit erkannte man mit dem Durchdringen
einer schärferen Scheidung zwischen objektivem und sub-
jektivem Recht und der Erkenntnis, daß nur letzteres
Gegenstand der Verjährung und Ersitzung sein könne, die
Haltlosigkeit der ursprünglichen Auffassung. Man verstand
unter der gesetzlichen Präskription seither nicht mehr die
Ersitzung der Gewohnheit, sondern den Verlauf der Ver-
jährungszeit und bezog die Stelle vielfach bloß auf parti-
kulares Gewohnheitsrecht. Nachzuklingen scheint aber
jene alte Auffassung im neuen kirchlichen Gesetzbuch, das
noch jetzt eine Ersitzung von Privilegien kennt (Can. 63 § 1).
Wie konnte man aber überhaupt je von einer Er-
sitzung der Gewohnheit oder des Gewohnheitsrechtes spre-
chen, und warum galt die Regel nur für Ausnahmerecht,
nicht auch für die Abänderung gemeinen Rechtes durch
gemeine Gewohnheit? Und welches war die Grundlage,
die zu solch einer Auffassung führen konnte ? Das sind die
Fragen, die hier vornehmlich untersucht und beantwortet
werden sollen. Daß letzten Endes eine Verwechslung von
subjektivem und objektivem Recht1) dahintersteckt, ist
klar. Weniger bekannt ist, daß auch das Privilegienrecht
mit hereinspielt. Wohl ist bisher schon aufgefallen2), daß
in den ersten päpstlichen Entscheidungen, die die Verjäh-
rung beim Gewohnheitsrecht hereinziehen, gleichzeitig von
Privilegien die Rede ist, und daß es sich hierbei auch um
Rechte handelte, die gewöhnlich durch Privilegien erlangt
werden. Worin aber der Einfluß des Privilegienrechtes be-
standen haben soll, und welcher Zusammenhang zwischen
Privilegien, Gewohnheit und Verjährung besteht, das ist
bisher nicht genügend klargelegt worden. Ehe auf diese
1) Beides wurde nur gefühlsmäßig, ohne Kenntnis der wesentlichen
Unterscheidungsmerkmale, unterschieden; daher auch die verschiedene
Abgrenzung der Begriffe 'consuetudo’ und 'praescriptio’ gegeneinander.
Die Glosse zu c. II, X. 14 'Legitime sit praescripta’ gibt mehrere An-
sichten hierüber. Vgl. auch Reiffenstuel, Ius canon, univ. I p. 156 sq*
(lib. I, tit. IV, n. 23 sqq.).
2) P. Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Prote-
stanten in Deutschland III (Berlin, 1883) S. 810; Scherer, Kirchen-
recht I 8. 135; Brie, Gewohnheitsrecht S. 86.

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