Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (8 (1918))

156

Rudolf Köstler,

an die echte Verjährung* 1) gedacht, sondern lediglich an
den Verlauf der schon nach römischem Recht gegen die
Kirche eingeführten vierzigjährigen Verjährungsfrist.2)
Nicht immer war man aber der angegebenen An-
schauung. Die Auslegung unserer Vorschrift hat vielmehr
eine lange Geschichte.3) Schon aus der Zeit der Ent-
stehung dieser Bestimmung und aus der unmittelbaren
Folgezeit werden uns verschiedene Meinungen überliefert,
die meist an Unklarheit und Vieldeutigkeit wenig zu wün-
schen übriglassen.4) Hier gilt es nun, diejenige Auffassung
zu ergründen und zu begründen, von der die Kirche ur-
sprünglich ausging. Sie scheint — um das gleich hier vor-
wegzunehmen — dahin zu gehen, daß es sich um eine
Ersitzung der — stets besonderen — Gewohnheit, verbun-
den mit einer Verjährung des bisherigen, entgegenstehenden
Rechtes handelt.5) Der wahre, ursprüngliche Sinn der
Stelle wäre demnach: Ausnahmerecht (Privileg) könne
gegen das allgemeine Recht im Wege der Gewohnheit nur

1) Vgl. Reiffenstuel, Ius canon, univ. I p. 163 (lib. I, tit. IV
n. 90); Bouix, Tractatus de principiis p. 302; Wernz, Ius decretalium
I 3 p. 293; Laurentius, Institutiones 3 p. 288 2. — Nach manchen
(Reiffenstuel, 1. c. p. 164 [n. 93]; Bouix, 1. c.; Wernz, 1. c.) ersetzt
die Zustimmung des Gesetzgebers den Verlauf der Verjährungsfrist.
2) Auth.' Quas actiones3 ad 1. 23 § 2, C. I 2 = in dicto Grat. p. c. 15,
C. XVI, q. 3; Nov. 111; Nov. 131, c. 6 = in dicto Grat. p. c. 15, C. XVI,
q. 3 et c. 3, C. XVI, q. 4 (beide Male nicht wörtlich). Vgl. auch c. 4,
8, 9 X. II 26. K. A. D. Unterholzner - Th. Schirmer, Ausführliche
Entwickelung der gesamten Verjährungslehre aus den gemeinen in
Deutschland geltenden Rechten I 2 (Leipzig, 1858) S. 130ff.; Savigny,
System V (Berlin, 1841) 8. 354ff. und B. Windscheid - Th. Kipp,
Lehrbuch des Pandektenrechts I9 (Frankfurt a. Main, 1906) S. 569 2.
3) Es fällt daher schwer, den zu verschiedenen Zeiten verschieden
verstandenen Ausdruck: 'consuetudo legitime praescripta3 sinngemäß
deutsch wiederzugeben. Eine einwandfreie Übertragung wird sich gar
nicht finden lassen. Ich übersetze: 'gesetzlich verjährte Gewohnheit3
und denke für die ältere Zeit an die rechtsbegründende Verjährung,
für die spätere an den Ablauf der Verjährungszeit.
4) Ein Bild davon gibt die Glosse; vgl. etwa c. 7, D. VIII, 'Con-
suetudinem3; c. 31, C. XVIII, q. 2, 'Usque ad hoc tempus3; c. 11, X. I 4,
'Legitime sit praescripta3. Siehe auch Kreutzwald, De canon, iur.
consuet, praescriptione p. 58 sqq.
5) Brie, Gewohnheitsrecht I S. 84f. und 194f., besonders S. 194 38

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer