Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (8 (1918))

Consuetudo legitime praescripta.

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genommen; nur in einem Punkte glaubte sie hier eine
einschneidende Änderung vornehmen zu müssen: den Vor-
schriften des römischen Rechtes1) hat sie ein fremdes Reis
aufgepfropft, die Verjährung. Welche Rolle dieser hierbei
zugeteilt wurde, ist nicht ganz klar. Sicher ist, daß sie
nur dann in Frage kommt, wenn bestehendes Recht ab-
geändert werden soll (consuetudo contra ins positivum).
Papst Gregor IX. hat das allgemein ausgesprochen, nach-
dem schon vorher einige päpstliche Entscheidungen seiner
Vorgänger in dieser Richtung ergangen waren. Der Sinn
der neuen Anordnung ist viel umstritten worden. Die
heute herrschende Lehre2) legt sie dahin aus, daß jede
dem bestehenden menschlichen Rechte oder Gesetze wider-
streitende Gewohnheit vorerst verjähren müsse, ehe sie zum
Gewohnheitsrecht werden kann. Dabei wird aber nicht

1) § 9, J. I 2 = c. 6, D. XII; 1. 1 et 2, C. VIII 52 - c. 7, D. XII
et c. 4, D. XI (vgl. auch e. 9 et 11, X. I 4).
2) Sie verlangt im übrigen Verjährung für jede, dem bestehenden
Recht zuwiderlaufende Gewohnheit: R. v. Scherer, Handbuch des
Kirchenrechtes I (Graz, 1885) 8. 133; Ä. L. Richter - R. Dove-
W. Kahl, Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechts 8
(Leipzig, 1886) S. 279f.; V. Wolf v. Glanvell, Studien aus dem kano-
nischen Privatrechte I (Graz, 1897) 8. 173 4; F. X. Wernz, Ius decre-
talium I 3 (Prati, 1913) p. 294; U. S tutz, Kirchenrecht 2 (F. v. Holtzen-
dorff - J. Köhler, Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systema-
tischer Bearbeitung V 7 [München, Leipzig und Berlin, 1914]) S. 410;
oder nur für die dem Gesetze widerstreitende Gewohnheit: E. Lambert,
fitudes de droit legislatif ou de droit civil compare, I. serie, I (Paris, 1903)
p. 114; E. Friedberg, Lehrbuch des katholischen und evangelischen
Kirchenrechts 6 (Leipzig, 1909) 8. 148; J. B. Sägmüller, Lehrbuch des
katholischen Kirchenrechts I 3 (Freiburg i. Br., 1914) S. 113; J. Lauren-
tius, Institutiones iuris ecclesiastici 3 (Friburgi Br., 1914) p. 288;
J. B. Häring, Grundzüge des katholischen Kirchenrechtes 2 (Graz, 1916)
8. 30. — Brie (Gewohnheitsrecht I S. 90f.) hingegen bezieht die Ver-
jährung nur auf die gegen das allgemeine Kirchengesetz streitende p a r-
tikuläre Gewohnheit. — Abwegige Meinungen vertraten Klötzer (Theo-
rie vom Gewohnheitsrecht 8. 115ff.), der „praescripta“ mit „vorgeschrie-
ben“ übersetzte, ferner Hochstetter (De praescriptione consuetudinis),
Meurer (Juristische Abhandlungen V), Glück (Pandekten I 2 S. 465ff.),
K. F. Eichhorn (Grundzüge des Kirchenrechts II [Göttingen, 1833]:
8. 42f.) und namentlich Schulte (Kirchenrecht I 8. 224ff.), die „con-
suetudo“ auf subjektives Recht beziehen wollten.

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