Der Anteil des Christentums an den Ordalien.
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mahlsfeier auserwählt haben, zumal es auch im Neuen Testa-
mente (z. B. bei der wunderbaren Brotvermehrung) eine ge-
wisse Rolle spielt. Was die Verwendung des Gerstenbrotes
für die Probe des geweihten Bissens im Westen, in Gallien,
anbelangt, so war es dort, und zwar vielfach ungesäuert, noch
lange hinaus die Nahrung der kleinen Leute *), die sich das
bessere, aber wesentlich teurere Weizenbrot nicht leisten
konnten.* 2) Und kleine Leute waren ja die Christen bis ins
4. Jahrhundert3), und auch späterhin handelte es sich bei
der Vornahme der Bissensprobe immer wieder um kleine
Leute, meist um Unfreie.4) Für das Verbot der Säuerung
des Brotes mag außer dem schon Angeführten als bestärkend
der Ausspruch Christi „Sehnlichst habe ich verlangt, dieses
Pascha mit euch zu essen, bevor ich leide“5), mitgewirkt
haben, der heute noch als Beweis dafür angeführt wird, daß
Christus bei seinem letzten Abendmahl ungesäuertes Brot
verwendete6), weiter aber auch, daß der Sauerteig in der
Bibel mehrfach als unrein bezeichnet7) und Säuerung mit
Verderbnis gleich erachtet wird.
Neben dem Brote bedurfte es zur Bissensprobe des
Hartkäses. Dessen Zubereitung war gerade im südöstlichen
Gallien, wo wir den Ursprung unseres Ordals zu finden
glauben, seit der Kaiserzeit heimisch.8) Hier wurde der
*) Namentlich seit dem Niedergange des gallischen Wohlstandes
im 4. Jahrhundert. Vgl. Scbultze, Deutsche Geschichte, II, 8.12f.
und Gauch, Kirchengeschichte, 13 u- 4, 8. 17 f. — 2) Nach Synodus
Franconofurtensis (794), c. 4, bestimmte Karl d. Gr., daß Gerste zum
halben Preise des Weizens verkauft werde und für 1 Denar 12 Weizen-
oder 20 Gerstenbrote (je 2 Pfund) erhältlich sein sollten (Non. Germ,
hist., Capitularia, I [ed. A. Boretius], Hannoverae 1883, p. 74). Vgl.
auch J. Lippert, Kulturgeschichte der Menschheit in ihrem organischen
Aufbau, I, Stuttgart 1886, 8. 594. — 3) Scbultze, Deutsche Geschichte,
II, 8. 23 f.; Bauck, Kirchengeschichte, 13u-4, 8. 29; vgl. o. 8. 2364. —
4) Siehe u. 8. 242 f. — B) Lukas 22, 15. — Pascha wurde und wird be-
kanntlich bei ungesäuerten Broten gefeiert. — *) Schegg, ‘Abend-
mahlsfeier’ (W. W., Kirchenlexikon, I2), 8p. 44; vgl. auch Schmid,
‘Altarssakrament’ (ebenda), 8p. 601 und J. Hergenröther, 'Azymiten
CJCvfiTrcuf (ebenda), 8p. 1780, ferner De Waal, a. a. 0. — 7) Z. B.
1. Kor. 5, 8; vgl. auch Benzinger, ‘Brot (bei den Hebräern)’ (H. H.,
Realenzyklopädie, III3, Leipzig 1897), 8. 420. — 3) Weiß, ‘Gallia',
8p. 648.
Zeitschrift für Rochtsgeschlchte. XXXIII. Kan. Abt. II.
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