Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (2 (1912))

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Rudolf Köstler,

ritualien dem Beschuldigten vor dem Gottesurteil das Abend-
mahl gereicht wurde und, wenn dieses schon als Ordal ge-
golten, die Vornahme eines weiteren keinen Sinn gehabt
hätte.1) Demgegenüber ist aber zu bemerken, daß die Eucha-
ristie außer als schlichte Kommunion drei verschiedenen
Zwecken diente2): sie wurde als ein dem Eide ähnliches
Beteuerungs- oder Reinigungsmittel, als Gottesurteil oder
auch bloß als Vorbereitungsmittel auf dieses verwendet,
örtliche und zeitliche Unterschiede dürften dabei zu machen
sein, die sich heute aber bei der Dürre der Quellen nicht
sicher feststellen lassen. Der Streit um den Ordalcharakter
des Abendmahles hängt zum Teil auch mit der verschiedenen
Auffassung des Wesens der Ordale zusammen. Ich schließe
mich hier der strengsten Auffassung an3), die dahin geht,
gungseid geworden ist. Halten wir jetzt unserer Stelle die Bestim-
mungen der angelsächsischen Gesetzgebung VIII, ASthelred, 19 ff. — I,
Cnut, 5 ff. (Liebermann, Gesetze, I, Halle a. 8. 1903, 8. 265f. bzw.
284 ff.) gegenüber, wo es heißt, daß der Priester zur Entkräftigung einer
Anklage wider sich das Abendmahl nehmen, der Diakon oder laien-
haft lebende Priester aber einen Eid leisten oder zum Ordal schreiten
solle, so ist die Verwandtschaft naheliegend: dem Abendmahl des
Priesters nach angelsächsischem Recht entspricht unsere ‘sancta con-
secratio’. Unter diesen Worten scheint daher — später wenigstens —
das Abendmahl zwar nicht als Gottesurteil, wohl aber als Reinigungs-
mittel verstanden worden zu sein.
*) Hildenbrand, Purgatio, 8. 29; Pfalz, ‘Ordalien’, 8. 14; Hilse,
Abendmahlsprobe, S.45f.; Brunner, Rechtsgeschichte, II, 8. 413";
Franz, Benediktionen, II, 8. 341, Hiergegen sei jedoch darauf ver-
wiesen, daß eine Häufung von Ordalen immerhin möglich war; so
geht in den fränkischen Formeln A, 5 (o) und B, V 1 (n) (Non. Germ,
hist., Legum sectio V: Formulae Merowingici et Karolini aevi. Acce-
dunt ordines indiciorum Dei ed. K. Zeumer, Hann. 1886, p. 609 et
651) dem Ordal des Kesselgriffs das des hängenden Kessels und in
A, 26 (e) und 27 (c) (ibid. p. 630) dem Ordal des Probebissens das des
hängenden Brotes voran, sei es, daß das vorangehende Ordal bloß als
Orakel über den Ausgang der Hauptprobe (Zeumer, ibid., p. 602),
sei es, daß es als Notbehelf zur Sicherung der Entscheidung diente,
wenn die Hauptprobe kein völlig zuverlässiges Ergebnis liefern sollte.
A. M. Franz, Benediktionen II, 8. 360. — * *) Dahn, Gottesurteile, 8.14;
Kober, ‘Gottesurteile’, 8p. 922. Die Eucharistie hat heute noch eine
gewisse Doppelfunktion: Der Priester reinigt sich durch sie von (läß-
lichen) Sünden, der Laie aber muß zur Tilgung seiner Sünden vorerst
beichten. — *) Vgl. Franz, Benediktionen, II, 8. 308 und 341.

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