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Kanonistische Chronik
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Kanonistische Chronik.
Am 19. Dezember 1914 starb zu Obermais bei Meran der emeri-
tierte ordentliche Professor des deutschen und des Kirchenrechtes an
der Bonner Universität, Geh. Justizrat Dr. Johann Friedrich Ritter
von Schulte. Geboren am 23. April 1827 zu Winterberg im Sauer-
lande, wandte er sich unter dem Einflüsse seines mütterlichen Oheims,
des katholischen Kirchenrechtslehrers Justin Timotheus Balthasar
Freiherrn von Linde, der Rechtswissenschaft, insbesondere dem
Kirchenrechte zu und widmete sich dessen Studium vom Herbste
1849 an in Berlin als Schüler namentlich von Aemilius Ludwig
Richter. ln dem Kreise hervorragender jüngerer Gelehrter und
Rechtslehrer, die dieser ausbildete oder um sich versammelte, vertrat
Schulte das katholische Element und zeichnete sich, da er mit größ-
ter Leichtigkeit und eisernem Fleiße arbeitete, auch eine bis in das
hohe Alter nie versagende Arbeitskraft besaß, ohne gerade neue Bahnen
einzuschlagen oder wichtige Anregungen zu geben, bald durch erstaun-
liche Gelehrsamkeit und Vielseitigkeit sowie durch schriftstellerische
Fruchtbarkeit aus. Schon im Sommer 1850 löste er eine Preisaufgabe
der Berliner Juristenfakultät, um am 26. Juli des folgenden Jahres
bei dieser magna cum laude zu promovieren. Seit 1852 Kammer-
gerichtsauskultator, seit 1853 Kammergerichtsreferendar habilitierte er
sich Ende 1853 in Bonn für Kirchenrecht. Bereits im Sommer 1854
wurde er durch den österreichischen Kultusminister Grafen Leo Thun,
dem er ein halbes Jahr zuvor anläßlich seiner Bemühungen, mit Hilfe
einer dafür zu gründenden Bruderschaft eine päpstliche Armee zustande
zu bringen, persönlich näher getreten war, als außerordentlicher Pro-
fessor an die damals noch ungeteilte Prager Universität berufen, an
der er, inzwischen auch mit der Vertretung der deutschen Rechts-
geschichte beauftragt, im Spätjahr 1855 zum Ordinarius aufrückte.
Daneben entfaltete er als Mitglied des geistlichen Ehegerichts in allen
drei Instanzen und als Titularkonsistorialrat des Fürsterzbischofs Kar-
dinal Schwarzenberg eine erfolgreiche praktische Tätigkeit. Am 24. Ja-
nuar 1869 wurde er in den erblichen Ritterstand erhoben. Jedoch im
Frühjahr 1873 folgte er einem Rufe an die rheinische Friedrich-Wil
heims-Universität zu Bonn, von der er ausgegangen war. Die fort-
schreitende Tschechisierung der Prager Universität und andere Um-
stände, vor allem aber die Erklärung der päpstlichen Unfehlbarkeit
auf dem vatikanischen Konzil, gegen die er sich mit der Überzeugungs-
treue des als Fachmann beteiligten Gelehrten und mit der starren
Charakterfestigkeit seiner Westfalennatur dauernd ablehnend verhielt,
ließen ihm die Rückkehr nach Preußen und nach Bonn erwünscht
erscheinen. In Bonn hat er dann mit geringen Unterbrechungen, die