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Georg Schreiber,
vielfach in der dem Volk näher tretenden liturgischen Form
der gesungenen Messe, der missa cantata statthatte.1) Da-
zu nahm nicht selten der Proband in dieser Messe die Kom-
munion.2)
Ein anderes Moment verstärkte die kultische Färbung
der Ordale, daß sie, soweit als tunlich, im Inneren des
Gotteshauses abgehalten wurden.3) Schließlich beim Aus-
gang des Ordals gab der Priester — hier und da einmal
unter lebhafter Mitwirkung der Zeugen4) — sein Urteil
über die Schuld oder Unschuld der Probanden ab. Nur
über den Zweikampf entschieden weltliche Kampfrichter.
Die hier kurz5) gekennzeichneten Bemühungen des
Ordalpriesters lösten mit einer gewissen inneren Notwendig-
keit die Ordalabgabe aus. Denn nach germanischer Auf-
fassung erforderte jede Schenkung zu ihrer Rechtsbeständig-
x) Martene 1. c., ordo V: „. . .induat se sacerdos, sicut mos est
sacris vestimentis ad missam canendum." Ebenda (p. 334) ordo VI:
„Primo canenda est missa de inventione 8. Crucis. . Siehe auch
Köstler, Ordalien, S. 225 mit Anm. 2.
2) Oft auch außerhalb der Probe des geweihten Bissens. Siehe
darüber unten. S. Rietschel im Artikel Gottesurteile bei Herzog-
Hauck, Realenzyklopädie3 VII, 8. 35, meint, daß bei jeder Messe, die
aus Anlaß eines Ordals zelebriert wurde, der Beschuldigte zum Abend-
mahle gegangen sei. Daß die Kommunion derartig häufig stattfand, ist
nicht nachweisbar und steht auch nicht in Einklang mit dem, was
wir über die Häufigkeit des mittelalterlichen Kommunionempfanges im
allgemeinen (vgl. dieserhalb J. Hoff mann, Geschichte der Laien-
kommunion bis zum Tridentinum, Speyer 1891, 8. 82ff., G. Matern,
Geschichte der hl. Kommunion in der Diözese Ermland, Braunsberg 1911,
S. 10 f., mit Bemerkungen über die Kommunionpraxis der Ritterbrüder
des Deutschen Ordens, Thalhofer-Eisenhofer, Liturgik2 II, 8. 344ff.,
Sägmüller, Kirchenrecht3 II, 8. 36f., neuerdings auch Merk, Die
Kirche im altfr. Heldenepos, S. 1291) wissen. Siehe dazu des weiteren
Wilda, Ordalien, 8. 467; E. Glasson, Histoire du droit et des insti-
tutions de la France VI, Paris 1895, p. 529 mit der in n. 3 mitgeteilten
Literatur, und schließlich Franz, Benediktionen II, 8. 344.
3) Wilda a. a. 0. 8. 467; Köstler, Ordalien, 8. 226.
4) Siehe darüber Wilda a. a. O., 8. 468 mit Anm. 68. Etwas
ungenau die Darstellung von Rietschel a. a. O.
5) Vgl. im einzelnen noch Jacob Grimm, Deutsche Rechtsalter-
tümer4, Leipzig 1899ff., II, 8. 563ff.; Barth, Hildebert von Lavardin,
S. 85ff.; Hauck II3'4, 8. 767ff.; Jordan, Fränkisches Gottesgericht,
S. 291, mit den in Anm. 1 mitgeteilten Verweisen.