Full text: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte / Kanonistische Abteilung (5 (1915))

Kirchliches Abgabenwesen bei französischen Eigenkirchen. 463
nen benedizierten die Priester die bei den Gottesurteilen
gebrauchten Elemente, also Wasser und Feuer, Eisen und
Pflugschar und Kessel bei dem iudicium aquae ferventis,
sowie bei dem iudicium aquae frigidae und bei den anderen
einschlägigen Proben. Ebenso segneten sie Brod und Käse
bei der Probe des geweihten Bissens (iudicium offae) und
desgleichen auch Schild und Kampfstock der Zweikämpfer
(iudicium pugnae, duelli).1) Neben die Segnung solcher Mate-
rien traten die religionsgeschichtlich noch bemerkenswerte-
ren Exorzismen und Adjurationen der Beschuldigten. Be-
deutsamer freilich äußerte sich die vielseitige Mitwirkung
der Kirche noch darin, daß sie die Zelebration einer Messe
gewährte. Selten einmal mag ein Gottesurteil getätigt
sein, ohne daß auch eine Messe abgehalten wurde, an die
sich — nach der zeitlichen Folge der Akte — die Beschwö-
rung und dann erst die Benediktion anschloß. Diese Messe
wurde hier und da sogar nach einem bestimmten Formular
gelesen2), ein Umstand, der nach den Anschauungen der
Zeit die an sich schon gewichtige Stellung der Messe im
Rechtsleben und im Volksempfinden noch schärfer unter-
strich. Es war nicht weniger entsprechend, daß diese Messo
Umstand aufmerksam machen, daß die kluniazensische Liturgie vom
10. bis 12. Jahrhundert einen mächtigen Anstieg erlebte und damit gewiß
auch die Bildung und darüber hinaus den Zusammenschluß liturgischer
Texte bedeutsam förderte. Diese Ritualbücher bildende Kraft Klunys
und der verwandten Reformkongregationen sollte einmal einläßlicher
untersucht werden. Siehe dazu auch oben S. 442 Anm. 1.
*) Beachte aber mit R. Sohm, Die fränkische Reichs- und Ge-
richtsverfassung (Die altdeutsche Reichs- und Gerichtsverfassung I),
Neudruck Leipzig 1911, S. 5008., daß der Kampf mit Schild und
Knittel für das volksgerichtliche Verfahren eingeführt war und zwar
durch die karolingischen Kapitularien (vgl. noch Schröder, Deutsche
Rechtsgeschichte5, 8. 267 mit Anm. 4). Während der Zweikampf mit
der blanken Waffe als der Zweikampf galt (nach der lex Ribuaria und
den übrigen Stammesrechten). Siehe dort bei Sohm (8. 502) vor allem
auch den Satz, daß das Gottesurteil des Zweikampfes nach fränkischem
Volksrecht kein Gottesurteil war. Vgl. dazu noch Hauck II3'4, 8. 767
Anm. 6 und Leo Jordan, Das fränkische Gottesgericht, Archiv f. Kultur-
geschichte VI (1908), S. 265ff., und besonders 8. 278f.
2) Vgl. Martene, De antiquis ecclesiae ritibus lib. 3 c. 7 (II,
p. 333sqq.), ordoV und die folgende ordines. Siehe dazu Franz, Bene-
diktionen II, S. 346. 351. 357; Coulin, Zweikampf in Frankreich, 8.41 ff.

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