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Georg Schreiber,
Wenn auch, wie man sieht, die Literaturwelle stark
' angeschwollen ist, so bleibt die Materie nach wie vor problem-
reich genug. Es sei nur angedeutet, daß über die räumliche
Verbreitung der Ordale und ebenso über die Häufigkeit
ihres Vollzugs sich noch vieles sagen läßt. Nicht minder
aber über die Stellungnahme von Klerus und Mönchtum
beim Prozeß des Zerfalles.
Erst recht bezeichnen die Abgaben, die aus Anlaß
der Ordale bei kirchlichen Stellen einliefen, ein so gut wie
gänzlich unbetretenes Gebiet.1) Auf den ersten Blick er-
scheint dieses Sportel wesen vielleicht weniger bedeutsam.
Doch auch die Abgaben spiegeln hier wie auch sonst die
ganze Zähigkeit und Lebenskraft alteingesessener Rechts-
anschauungen wider, nicht weniger den Widerstreit zwischen
alter und neuer Rechtsauffassung. Schließlich auch die
Haltung führender Gesellschaftsschichten des mittelalter-
lichen Lebens.
Es war fast selbstverständlich, daß sich Ordalabgaben
einfanden. Denn die Anteilnahme der Kirche an den Or-
dalen war eine bedeutende. Begleiteten doch ihre Diener
diese iudicia mit ihren Segnungen. Nicht bloß im 11. und
12. Jahrhundert, als in einem Zeitraum, in dem die Quellen
besonders gesprächig werden und die liturgischen Formu-
lare der Klöster sich festigten und zu Gruppierungen ver-
banden2), sondern natürlich auch schon früher. Im einzel-
von Oskar Sauer über die Quellen der Chevy Chaseballade, Halle
1913, handelt H. Fehr, Zur Geschichte des Zweikampfes, in dieser
Zeitschrift XXXIV (1913), Germ. Abt., 8. 422ff. Die Idee des Zwei-
kampfes als eines Gottesurteils sei in dieser Ballade verblaßt.
*) Nur W. E. Wilda, Ordalien, bei J. 8. Ersch und J. G. Grub er.
Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste (III. Sektion
IV. Teil), Leipzig 1833, 8. 469 macht eine aphoristisch gehaltene Be-
merkung, die sich nur auf das nordische Kirchenrecht bezieht. Eine
andere und gleichfalls nur gelegentliche Notiz, die dem nämlichen Terri-
torium gilt, bei K. v. Maurer, Vorlesungen über altnordische Rechts-
geschichte, Leipzig 1906ff., II, 8. 76. Siehe dazu unten.
2) Ich weise eigens auf dieses Moment hin, und das im Sinne einer
Anregung. Denn es überrascht, daß Liturgiker wie A. Franz (Das
Rituale des Bischofs Heinrich I. von Breslau, Freiburg i. Br. 1912,
S. 52f.) und Thalhofer-Eisenhofer (Liturgik2,1, 8. 83f.) in ihren
Bemerkungen zur Entstehungsgeschichte der Ritualien nirgendwo auf den